Götterdämmerung in der Traumfabrik
Am Gründonnerstag blickt die Theaterwelt nach Klagenfurt, wo Regisseur Patrick Schlösser die österreichische Erstaufführung von Andrewlloyd Webbers „Sunset Boulevard“verantwortet.
SAMSTAG, 23. MÄRZ 2013, SEITE 107
ERWIN HIRTENFELDER
Es darf durchaus als kleine Sensation gewertet werden, dass das StadttheaterKlagenfurt die österreichischen Erstaufführungsrechte für Andrew Lloyd Webbers „Sunset Boulevard“erhielt. Möglicherweise ist esdemUmstand geschuldet, dass an der 35 Kilometer langen Straße zwischen Downtown LA und Santa Monica das Restaurant eines berühmten Kärntners liegt: das „Spago“von Wolfgang Puck. Plausibler erscheint allerdings, dass Florian Scholz großes Verhandlungsgeschick bewies, um das 1993 in London uraufgeführte Musical als erster heimischer Theaterintendant präsentieren zu können.
In Patrick Schlösser scheint Scholz zudem einen idealen Regisseur gefunden zu haben. „Ich habe mich schon lange vor der Einladung nach Klagenfurt mit ,Sunset Boulevard‘ beschäftigt“, erzählt der 41-jährige Deutsche wenige Tage vor der mit Spannung erwarteten Premiere. Bereits als Jugendlicher habe er die Filme von Billy Wilder geliebt, von „Manche mögen’s heiß“bis hin zum „Boulevard der Dämmerung“mit Gloria Swanson. Als Andrew Lloyd Webber das Filmdrama als Musical ankündigte, wollte der junge Regieassistent an vorderster Front dabei sein. Also besorgte er sich Karten für die Uraufführung.
Das ist jetzt 20 Jahre her. In der Zwischenzeit ist Patrick Schlösser zum Oberspielleiter am Staatstheater Kassel avanciert und hat dort mit „Cabaret“oder „Black Rider“ausreichend Musical-Erfahrung gesammelt. Einen Namen schuf er sich vor allem mit Sprechtheater wie der Bachmann-Produktion „Malina“am Schauspielhaus Graz (2009).
Auch wenn der Klagenfurt-Debütant bereits einige Umbesetzungen vornehmen musste, hatte er bei seiner jüngstenRegiearbeit „in erster Linie Spaß“. Nicht zuletzt dank eines „begeisternden“25-köpfigen Ensembles. Darunter: die für Dagmar Koller eingesprungene Holländerin Susan Rigvava-Dumas in der Rolle der abgehalfterten Filmdiva Norma Desmond oder Harald Serafin als deren Ex-Mann und Butler.
Schlösser möchte die Schattenseiten der Traumfabrik Hollywood mit „viel Tanz“und „opulenter Ausstattung“auf die Bühne bringen, wobei ihm die 1920erund 1950er-Jahre als Schablone dienen. Sein Leitfaden für die rund zweieinhalbstündige Inszenierung: „Das Stück ist eine Liebeserklärung ans Theater und zeigt eine brüchige Welt voller Gaukler, die von der Utopie leben, auf einer Bühne zu stehen. Es ist zugleich ein Spiel zwischen Sein und Schein, eine Parabel auf die heutige Zeit, wo alle mit ihremGlanz und ihren Erfolgen beschäftigt sind.“
Ob das Musical so positiv aufgenommen wird wie bei der Uraufführung, wird man ab Donnerstag wissen. Im Londoner Adelphi Theatre stand es danach fünf Jahre lang auf dem Spielplan.