Das Kartenhaus
Morgen läuft das Ultimatum für Zypern ab. Die EU muss auf den Bedingungen beharren.
Eigentlich dachte man, die EU habe nach all den Jahren der zittrigen Freud’ eine gewisse Krisen-Routine erlangt, einen Anflug vonGrandezza und Trittsicherheit über dem Abgrund. Das wie von Dilettanten-Hand gelenkte zypriotische Rettungsmanöver straft dieHoffnung Lügen. Dass die Finanzminister es zuließen, bei der Sanierung der Banken mit dem Rupfen der Kleinanleger zu beginnen, war kopflos und gefährlich obendrein.
Es führte dazu, dass sich die Bedrängnis eines kartografischenWinzlings über Nacht zu einem Flächenbrand auswuchs, befeuert durch das Gift der Psychologie. DasWort Kreditinstitut kommt von credere, glauben, es ist die tragende Säule des Geschäfts, wer sie demoliert, gefährdet das Bankwesen in seinem Inneren und damit den Blutkreislauf des Geldes.
Hatte die Politik nicht geschworen, dass Spareinlagen bis 100.000 Euro überall in Europa geschützt seien? Der Gelöbnisbruch erzürnte nicht nur die Zyprioten, er beschädigte das Vertrauen der Sparer in ganz Europa. Drohende AffektReaktionen könnten den maroden Banken der südlichen Krisenländer den Garaus machen.
Der gegen Brüssel und Berlin gerichtete Zorn der Zyprioten ist dennoch fehlgeleitet. Er wäre an die eigene Regierung zu adressieren. Sie war es, die die Kleinanleger besteuern wollte, um die Großkunden aus Russland oder London nicht zu vertreiben, dieKernklientel des korrupten Geld-Waschsalons und Zinsparadieses. Deren Eigenbeitrag mit einem schonenden Deckel zu versehen und die kleinen Leute bluten zu lassen, allein das Ansinnen mutet skandalös und empörend an.
Dass nun doch die Einlagen über 100.000 Euro einmalig besteuert werden, als Beitrag zur Abwendung des Banken-Bankrotts, ist argumentierbar. Immerhin haben die Anleger jahrelang von den hohen Zinsen und den niedrigen Steuern profitiert. Die Einbußen wären im Fall einer Banken- oder Staatspleite um ein Vielfaches höher. Enteignung? Ja, aber die Betroffenenmögen in ihremantieuropäischen Groll, in den gestern leider auch die orthodoxe Kirche einstimmte, einen Augenblick lang an die Sparer und Steuerzahler der europäischen Geberländer denken. Von den zypriotischen Zins- und Steuersätzen können diese nur träumen. Die Inflation enteignet sie und ihre Ersparnisse schon seit Jahren kalt.
I hnen, den Bürgen, ist eine fortgesetzte Solidarität ohne Bedingungen und Eigenbeiträge nicht länger zumutbar. Es fiele nicht nur das zypriotische Kartenhaus in sich zusammen, sondern das gesamte Gerüst der europäischen Haftungsgemeinschaft.
Eine rettende Hintertür kann es daher für Zypern nicht geben. Es muss sich entscheiden.