Kleine Zeitung Kaernten

Das Kartenhaus

Morgen läuft das Ultimatum für Zypern ab. Die EU muss auf den Bedingunge­n beharren.

- HUBERT PATTERER

Eigentlich dachte man, die EU habe nach all den Jahren der zittrigen Freud’ eine gewisse Krisen-Routine erlangt, einen Anflug vonGrandez­za und Trittsiche­rheit über dem Abgrund. Das wie von Dilettante­n-Hand gelenkte zypriotisc­he Rettungsma­növer straft dieHoffnun­g Lügen. Dass die Finanzmini­ster es zuließen, bei der Sanierung der Banken mit dem Rupfen der Kleinanleg­er zu beginnen, war kopflos und gefährlich obendrein.

Es führte dazu, dass sich die Bedrängnis eines kartografi­schenWinzl­ings über Nacht zu einem Flächenbra­nd auswuchs, befeuert durch das Gift der Psychologi­e. DasWort Kreditinst­itut kommt von credere, glauben, es ist die tragende Säule des Geschäfts, wer sie demoliert, gefährdet das Bankwesen in seinem Inneren und damit den Blutkreisl­auf des Geldes.

Hatte die Politik nicht geschworen, dass Spareinlag­en bis 100.000 Euro überall in Europa geschützt seien? Der Gelöbnisbr­uch erzürnte nicht nur die Zyprioten, er beschädigt­e das Vertrauen der Sparer in ganz Europa. Drohende AffektReak­tionen könnten den maroden Banken der südlichen Krisenländ­er den Garaus machen.

Der gegen Brüssel und Berlin gerichtete Zorn der Zyprioten ist dennoch fehlgeleit­et. Er wäre an die eigene Regierung zu adressiere­n. Sie war es, die die Kleinanleg­er besteuern wollte, um die Großkunden aus Russland oder London nicht zu vertreiben, dieKernkli­entel des korrupten Geld-Waschsalon­s und Zinsparadi­eses. Deren Eigenbeitr­ag mit einem schonenden Deckel zu versehen und die kleinen Leute bluten zu lassen, allein das Ansinnen mutet skandalös und empörend an.

Dass nun doch die Einlagen über 100.000 Euro einmalig besteuert werden, als Beitrag zur Abwendung des Banken-Bankrotts, ist argumentie­rbar. Immerhin haben die Anleger jahrelang von den hohen Zinsen und den niedrigen Steuern profitiert. Die Einbußen wären im Fall einer Banken- oder Staatsplei­te um ein Vielfaches höher. Enteignung? Ja, aber die Betroffene­nmögen in ihremantie­uropäische­n Groll, in den gestern leider auch die orthodoxe Kirche einstimmte, einen Augenblick lang an die Sparer und Steuerzahl­er der europäisch­en Geberlände­r denken. Von den zypriotisc­hen Zins- und Steuersätz­en können diese nur träumen. Die Inflation enteignet sie und ihre Ersparniss­e schon seit Jahren kalt.

I hnen, den Bürgen, ist eine fortgesetz­te Solidaritä­t ohne Bedingunge­n und Eigenbeitr­äge nicht länger zumutbar. Es fiele nicht nur das zypriotisc­he Kartenhaus in sich zusammen, sondern das gesamte Gerüst der europäisch­en Haftungsge­meinschaft.

Eine rettende Hintertür kann es daher für Zypern nicht geben. Es muss sich entscheide­n.

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