Für Europa beginnt das Abenteuer Ukraine erst
Zu viel Uneinigkeit verstellt denWeg in die Zukunft.
Schon lange nicht hat sich die politische Lage in einem europäischen Staat so zugespitzt wie jetzt in der Ukraine. Selbst die gestern erzielte Einigung der Regierung, ihrer Gegner und der strategischen Beteiligten EUund Russland ist sicher nur eine Zwischenstufe auf einem weiteren steinigen Weg. Das Blutvergießen auf dem Maidan ist, so scheint es, fürs Erste gestoppt. Dennoch müssen alle Beteiligten weiter zielstrebig an politischen Lösungen arbeiten. Alle. Und alle miteinander.
Denn die innere Uneinigkeit und Zerrissenheit aller agierenden Kräfte hat schon zu viel Schaden angerichtet. Die Regierung muss sich in der ihr verbleibenden Zeit als Vertretung aller Ukrainer begreifen und nicht als Interessenvertretung von Oligarchen und Sonderinteressen. Die an Russland orientierten Gruppen müssen auf Bestrebungen etwa auf der Halbinsel Krim achten, wo sich immer mehrMenschen von der Ukraine lösen wollen. Die Opposition muss beginnen herauszufinden, was alles geht, und nicht nur stets das herausstreichen, was nicht geht. Russland muss lernen, andere Staaten als unabhängige und souveräne Partner und nicht als beliebig manipulierbare und erpressbare Vasallen zu sehen.
Die größte Aufgabe außerhalb der Ukraine selbst fällt aber der EU zu. Die Union der 28 Mitgliedsländer muss sich in derAußenpolitik endlich handlungsfähig und berechenbar aufstellen. Dass es so lange gedauert hat, Sanktionen gegen ukrainische Verbrecher zu beschließen, ist ein Armutszeugnis. Die hohe US-Außenpolitikerin Victoria Nuland dürfte mit den wenig damenhaften Worten „fuck the EU“für die Ukraine womöglich mehr bewegt haben als viele wortgewandte Interventionen von EU-Diplomaten.
Natürlich gab es zahlreiche wichtige Reisen höchster EUPolitiker nach Kiew und natürlich haben die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens einen hohen Anteil an der gestern verkündeten Einigung, aber eine Strategie und eine Handlungsanleitung für die Zukunft sind noch immer nicht erkennbar.
So lange bleibt das, was in der Ukraine geschieht, ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Und so lange wird die EU vielleicht immer wieder Feuerwehr spielen können, aber sie wird nie ein anerkannter und berechenbarer Faktor sein.
Die Leitlinie ist klar. Die Ukraine muss in Europa bleiben und sie kann das nur, wenn sie gleichzeitig ein Partner Russlands ist. Dazu muss Brüssel und müssen die europäischen Hauptstädte endlich taugliche politische Werkzeuge entwickeln.