„Der Mann hatte gleich drei Mal Glück“
Bergrettungsarzt Roland Rauter über die Überlebenschancen unter einer Lawine.
Wie überlebt man 75 Minuten unter einer Lawine? ROLAND RAUTER: Durch eine gescheite Atemhöhle und mit Glück, viel Glück. Ichwar ja nicht selbst dabei. Aber als ich vom Einsatz hörte, habe ich gefürchtet: Bei diesem nassen, dichten, schweren Schnee gibt es keine Chance. Aber ich habe dann auf Fotos gesehen, dass es sich durch Knollen und Schollen ergeben hat, dass der Mann atmen konnte.
Aus der Sicht eines Bergrettungsarztes: Wie stehen die Chancen, eine Lawine zu überleben?
RAUTER: Studien zeigen, dass nach zehn Minuten zehn Prozent der Verschütteten tot sind, und zwar durch Verletzungen. Nach 35 Minuten liegt die Todesrate bereits bei 70 Prozent. Meist ersticken die Opfer. Überleben kann man dann nur, wenn es Hohlräume gibt. Solche Atemhöhlen bilden sich in einer Lawine zufällig. Da braucht man Glück, wie eben in diesem Fall.
Und man braucht das Glück, rasch entdeckt zu werden . . .
RAUTER: Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Lawinenhund so schnell den Verschütteten findet. In diesem Fall kamen die Bergretter und ihre Hunde von einem Kurs in der Innerkrems. Sie waren gerade in Kötschach, als die Alarmierung eintraf.
Wie gefährlich ist die Abkühlung unter einer Lawine?
RAUTER: In dieser Hinsicht hatte der Mann ein drittes Mal Riesenglück. Pro Stunde kühlt der Körper 3 bis 6 Grad ab. Bis zu einer Körpertemperatur von 30, 31 Grad sprichtman von Stadium eins, das ist noch nicht lebensbedrohlich. Darunter kann es aber zum sogenannten „Bergungstod“kommen. Dann droht bei fast jeder Bewegung ein Kammerflimmern im Herzen. Das ist lebensgefährlich. Deshalb ist es bei jeder Bergung so wichtig, den Verschütteten äußerst vorsichtig auszugraben. Vor allem natürlich bei Opfern, die schon länger unter einer Lawine liegen.
WOLFGANG ZEBEDIN