Die Endstation heißt Hoffnungslosigkeit
Genial: Michael Thalheimer mit Hebbels „Maria Magdalena“amWiener Burgtheater.
Finanzieller Spuk hinter den Kulissen, dämonische Seelendämmerung auf der Bühne – am Burgtheater werden derzeit vielerlei Register gezogen. Und da ist es durchaus eineWohltat, dass das Haus am Ring um ein Prunkstück reicher ist.
Michael Thalheimer, Meister der rigorosen Reduktion und derKonzentration auf den inneren Kern, holte Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“, die längst schon als Fall für das Theatermuseum galt, zurück ins Bühnenlicht. Gänzlich entstaubt, archaisch, wuchtig, als meisterliche Polyphonie in Schwarz, als Albtraumspiel und Allegorie ohne Ablaufdatum.
Dominiert wird die verdunkelte Bühne von einem monströsen, hoch aufragenden Holzungetüm, leicht deutbar als Unterteil eines Sarges und als Sinnbild jener Familiengruft, die Hebbel vor 260 Jahren schuf. Mit der naiven Klara, die es in Liebesirrungen- und Wirrungen zerfetzt, mit dem dem falschen und dem wahren Liebhaber und dem tyrannischen Vater. Natürlich funktioniert die einstige, bigotte und törichte Moral-Maschine längst nicht mehr.
Damit hat Thalheimer auch nichts im Sinn. Unterstützt durch geniale Lichtregie zeigt er hoffnungslose Gestalten, die ihre Schicksalsbahnen nicht verlassen können. Aber bei Thalheimer stellen sie nicht gewerbsmäßig Seelenkostüme zur Schau, er präsentiert sie wie Röntgenbilder. Transparent, durchschaubar, abgrundtief. Mit Dialogen, die gesprochene Gewalttaten sind, in immens aufgeladener Atmosphäre.
Die Endstation heißt Hoffnungslosigkeit, die Reise dorthin bedeutet Qual ohne Ende. Nicht für das Publikum. Das bekommt durch ein großartiges Ensemble, angeführt von Sarah Viktoria Frick (Klara), ins Sein geschleudert wie ein Unschuldsengel, eine exemplarische, beklemmende, aber ebenso bedeutsame Lektion über den unerbittlichen Ritus der Opferhaltung. So gesehen doch auch das ideale Burg-Stück zur weniger idealen Zeit.
WERNER KRAUSE