Wie die „Gotteskämpfer“dieZivilisationaushebeln
Die Innenministerin zog eine wichtige Grenzlinie.
Es gibt auf Youtube ein Video, das eine Hinrichtung mit dem Schwert zeigt. Gehört es zu den Berufspflichten, so etwas anzuschauen, um zu wissen, was in derWelt alles möglich ist? Oder ist das bloße Betrachten solcher Aufnahmen schon ein erster Schritt in die Barbarei, ein Schritt, auf den die hoffen, die das Dokument zugänglich gemacht haben?
DasVideo zeigt die Gegenbewegung zum Zivilisationsprozess. Es zeigt, wie Menschen unter Berufung auf ihre Religion jene Hemmungen außer Kraft setzen, dieReligionen mit aufbauen halfen. Welches Ziel rechtfertigt es, Menschen bis zum Hals einzugraben, wie es die Dschihadisten mit Jesiden gemacht haben? Was ermächtigt sie zur rituellen Schlachtung eines Journalisten, dem das Unglück widerfuhr, in ihre Gewalt zu geraten?
Krieg ist ohne Enthemmung nicht denkbar. Und dennoch haben sich über die Jahrhunderte Regeln herauskristallisiert, die selbst dieser gewalttätigen Auseinandersetzung
THOMAS GÖTZ Grenzen setzen. Es gibt geächteteWaffen und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Israel etwa muss sich gegenüber dem Vorwurf rechtfertigen, im Krieg mit dem militärisch hoffnungslos schwächeren Gaza dieses Prinzip zu missachten.
Nur ein paar Kilometer weiter löst der bloße Gedanke der Einschränkung roher Gewalt imUmgang mit GegnernHohngelächter aus. In Syrien starben mittlerweile an die 200.000 Menschen in einem Gemetzel, das ohne jede Einschränkung seinen Fortgang nimmt. Und die sogenannten IS-Gotteskämpfer, die ein Kalifat anstelle der zerfallenden nahöstlichen Nationalstaaten setzen wollen, ziehen den größten Nutzen aus ihrem Ruf, keinerlei ethische Schranken zu respektieren. Das erzeugt den Schrecken, derTeil ihrer Stärke ausmacht.
Offenbar zieht gerade diese Enthemmung manche Menschen magisch an. Anders ist es nicht erklärbar, dass tschetschenische Asylwerber aus Österreich nach Syrien reisen, um dort in das Gemetzel einzugreifen. nnenministerin Johanna Mikl-Leitner sagte nach der Verhaftung von neun solcher Kämpfer zwei wichtige Sätze. Erstens: „Jene, die selbst die Toleranz mit Füßen treten, dürfen nicht damit rechnen, dass wir dies tolerieren.“Und dann warnte sie davor, „jene Asylwerber, für die wir gerade Quartiere in Österreich suchen, mit diesen Personen in einen Topf zu werfen“.
Wenn über den ersten Satz keine Einigkeit herrscht, werden wir bald fanatisierte, brutalisierte Kämpfer in unserem Land haben. Ignorieren wir den zweiten Satz, verlieren wir unser Gesicht.
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