PORTRÄT DES TAGES Ein treuer Diener seines Herrn
Außenminister Ahmet Davutoglu˘ soll türkischer Regierungschef werden.
Bei Auftritten in der Provinz hat der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu˘ momentan neue Erlebnisse. Im nordosttürkischen Artvin etwa wird der 55-Jährige von Anhängern mit dem Ruf „Willkommen, Herr Ministerpräsident!“begrüßt.
Obwohl die offizielle Bestätigung erst heute erfolgen soll, pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Davutoglu˘ dürfte den ins Präsidentenamt wechselnden Recep Tayyip Erdogan˘ als Chef der Regierungspartei AKP und Premier beerben. Der Politikprofessor aus dem zentralanatolischen Konya, der in seiner Schulzeit in Istanbul Deutsch lernte und es noch passabel spricht, wird mit dem Aufstieg für seine Loyalität gegenüber Erdogan˘ belohnt.
Davutoglu˘ arbeitete mehrere Jahre als außenpolitischer Berater Erdogans,˘ bevor er 2009 Außenminister wurde. Seine außenpolitische Vision passte gut zu Erdo-
wurde am 26. Februar 1959 geboren. Er studierte an der Fakultät für Wirtschaft und Politikwissenschaft der Istanbuler BosporusUniversität. 1999 Professor an der Marmara-Universität, danach außenpolitischer Chefberater Erdogans.˘
Ahmet Davutoglu˘
gans˘ regionalpolitischen Ambitionen. Der designierte türkische Ministerpräsident brach mit der bis dahin vorherrschenden Sicht der Türkei als – passive – Brücke zwischen Ost und West und ersetzte sie durch dieVision von einem aktiven, eigenständigen Machtzentrum. Die Devise lautete: Mit der Befriedung ihres Umfeldes durch eine „Null Problem“-Politik mit allen Nachbarstaaten, einer starken Wirtschaft und der Beilegung innerer Probleme wie des Kurdenkonflikts habe die Türkei das Po- tenzial, zum Schlüsselland einer wichtigen Gegend zu werden.
Der Politologe Behlül Özkan, einst Student Davutoglus,˘ beschrieb den designierten Ministerpräsidenten kürzlich in einem Interview als Panislamisten, der eine sunnitisch-muslimische und von der Türkei beherrschte Hegemoniesphäre in Nahost, Zentralasien und dem Kaukasus anstrebe, zu der auch Albanien und Bosnien zählen sollten.
Aus dieserHegemonie ist bisher nichts geworden. Davutoglus˘ „Null Problem“-Strategie gilt als gescheitert, seit die Türkei gleich mit mehreren Ländern im Dauerclinch liegt: Irak, Syrien, Israel und Ägypten. Die Beziehungen zur EU und zu den USA sind ebenfalls gespannt. Davutoglu˘ hinterlässt seinemNachfolger – nach Pressemeldungen soll Geheimdienstchef Hakan Fidan neuer Außenminister werden – eine Menge Arbeit.
THOMAS SEIBERT