Es zählt die Qualität der Förderung
Alle wieder zurück in die Steinzeit“ist dasMotto, dasWiener Experten derzeit zum Thema Sonderschule über die Medien ausrufen. Es ist ganz erstaunlich, mitwelcher Kurzsichtigkeit die Bemühungen und Entwicklungen in den Bundesländern ignoriert werden und in welcher Unkenntnis der wissenschaftlichen Befunde argumentiert wird. In der Steiermark gibt es seit 20 Jahren ein kontinuierliches Bestreben um die integrative Bildung von Kindern. Nachhaltige Bemühungen des Landesschulrats sowie Initiativen vieler engagierter Eltern und Pädagogen haben dazu geführt, dass etwa 84 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf inklusiv unterrichtet werden. Auch Kärnten hat in den letzten Jahren den Anteil inklusiv unterrichteter Kinder auf diesesNiveau angehoben. Untersuchungen machen deutlich, dass sich die Leistungen dieser Schüler so besser, und die der anderen Kinder zumindest gleich gut entwickeln. Unsere eigenen umfangreichen Studien zeigen ebenfalls sehr eindeutig, dass Eltern die Entwicklung ihrer Kinder in der Inklusion positiver einschätzen, wenn die Qualität der Betreuung stimmt. Ein inklusives Bildungssystem setzt neue Rahmenbedingungen und Strukturen voraus.
Nicht nur pädagogisch, sondern auch ökonomisch klüger wäre es, die derzeit zweigleisige Ressourcenverteilung auf Sonderschulen und Inklusion aufzugeben und die im System verstreuten Mittel für die sonderpädagogische Förderung in die inklusive Bildung zu investieren. Beispielhaft wird diese innovative Ressourcensteuerung derzeit in Kärnten umgesetzt. Weil dies der einzigeWeg ist, eine hochwertige Form von Betreuung und individualisierter Förderung an allen Schulen zu ermöglichen, sind mutige politische Entscheidungen gefragt. Inklusion kann nicht daran scheitern, dass einzelne Sonderschuldirektoren Angst um ihre Zulagen haben. ass der Ausbildung der zukünftigen Inklusionspädagogen ein hoher Stellenwert zukommt, ist ebenfalls längst klar. Die Universität Graz bietet als einzige Uni in Österreich bereits seit drei Jahren einen Masterstudiengang „Inklusive Bildung“an. Zudem hat der Entwicklungsverbund ein Curriculum für Inklusive Pädagogik entwickelt, das diesen Herbst in die Begutachtung geht und 2015 starten wird.
Sicherlich sind noch weitere umfangreiche Initiativen nötig, um in Österreich wirklich eine „Schule für alle“zu ermöglichen. Wichtig ist aber, dass sich das Schulsystem hier und heute verändert – und zwar nicht zaghaft, sondern entschieden. Ansonsten werden wir 2020 noch am selben Punkt stehen wie heute und den Vorsprung, der mit den Anstrengungen von so vielen engagierten Pädagogen und Eltern erreicht wurde, wieder verspielt haben. Barbara Gasteiger- Klicpera leitet den Arbeitsbereich für Integrationspädagogik und Heilpädagogische Psychologie an der Universität Graz.
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