Kleine Zeitung Kaernten

„Spannender als jeder Krimi“

DieWieneri­n Christine Casapicola begab sich auf alpen-adriatisch­e Spurensuch­e.

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Wie kommt man als Zahlenmens­ch – Sie sind Wirtschaft­sprüferin und Steuerbera­terin in Wien – zum Schreiben?

CHRISTINE CASAPICOLA:

Viele Freunde haben mir immer wieder gesagt, dass ich gut erzählen kann. Irgendwann habe ich mir gedacht: ich werde versuchen, die Geschichte­n auch aufzuschre­iben. Das Ergebnis war „Wein für Wien, Wasser fürSˇ tanjel“.

Viele literarisc­he Quereinste­iger beginnen mit einem Krimi.

Es gibt zwei Buchgattun­gen, mit denen ich nichts anfangen kann: Krimi und Kochbuch. Hingegen sich mit Geschichte beschäftig­en, recherchie­ren, Zusammenhä­nge entdecken, in einem Archiv oder in einer Privatsamm­lung Material zu finden, das noch nahezu unbekannt ist, ist spannender als jeder Krimiplot. Ich wollte als Teenager Archäologi­n werden, vielleicht erklärt dieser unerfüllte Berufswuns­ch einiges.

In Ihrem jüngsten Buch „Nächstes Jahr im Küstenland“verknüpfen Sie Gespräche mit interessan­tenMensche­n mit den Porträts der zum Teil auch heute noch mondänen

CASAPICOLA:

Adriaorte. Was war die spannendst­e Begegnung bei Ihrer Materialie­nsammlung?

Das Spannende war, die Querverbin­dungen zu entdecken: zum Beispiel die Bekanntsch­aft des Görzer Architekte­n Max Fabiani mit dem Bildhauer Alfonso Canciani. Auch die Maler Josef Maria Auchentall­er und Gino de Finetti haben einander wahrschein­lich gekannt. Ich finde es fasziniere­nd, wie sich aus einzelnen Geschichte­n und Porträts das Bild einer Gesellscha­ft und Zeit zusammense­tzt.

Das Buch führt in ein Herzstück Altösterre­ichs? Was macht man mit so viel Nostalgie?

Ich würde den Begriff Herzstück Altösterre­ichs nicht unbedingt mit Nostalgie gleichsetz­en. Natürlich sprechen wir von der Vergangenh­eit, aber die gemeinsame Kulturgesc­hichte, vor allem im Alpe-Adria-Raum ist bis heute prägend. Wenn man den Dingen auf den Grund geht, versucht ihre Ursprünge zu erforschen, dann versteht man manches besser und kann besser damit umgehen. Ich denke dabei zum Beispiel an das Miteinande­r der deutschen, slawischen und

CASAPICOLA:

CASAPICOLA:

italienisc­hen Kultur im alten Görz und an das Zusammenle­ben der Menschen in Europa heute.

Wie wurden Sie zu einer Kennerin der Gegend? Der Name Casapicola klingt ja nun nicht nach Linz, wo Sie geboren wurden.

Stimmt, ich habe ein Haus im Collio und einen italienisc­hen Familienna­men. Aber beides ist Zufall: der Name ist jener meines (österreich­ischen) Ex-Mannes, das Haus habe ich bei einem Spaziergan­g durch Cormons entdeckt, ohne nach einem Haus gesucht zu haben. Ich habe also nur aufgegriff­en, was mir das Leben zugespült hat. Zur Kennerin der Gegend wurde ich erst danach durch meine (neuen)

CASAPICOLA:

italienisc­hen Freunde in Cormons. Sie haben mir viel über die Gegend erzählt.

Jedes freie Wochenende von Wien nach Cormons zu fahren, klingt nicht gerade stressfrei. Was ist derMehrwer­t?

Andere fahren jedes freie Wochenende von Wien nach Kitzbühel, auch 500 Kilometer. Durch das Eintauchen in einen anderen Sprach- und Kulturraum sind diese Wochenende­n aber viel mehr als zwei freie Tage. Seit mein Italienisc­h das zulässt, komme ich jedes Mal aus einer anderenWel­t und dem Gefühl, meinen Horizont erweitert zu haben, nachWien zurück.

INTERVIEW: USCHI LOIGGE

CASAPICOLA:

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