Stopp den Steueroasen
Der französische Ökonom Gabriel Zucman hat in seinem Buch „Steueroasen“nachgewiesen, dass entgegen den Beteuerungen derEUdiese besser florieren als je zuvor. Das Ausmaß der Steuerhinterziehung wurde erstmals zahlenmäßig offengelegt und übersteigt beiWeitemdie bisherigen Vermutungen. Dass die Briefkastengesellschaften gerade in der EU so stark vertreten sind, steht sicherlich im Zusammenhang damit, dass derKommissionspräsident Jean-Claude Juncker aus Luxemburg kommt und dieses Land eine Hochburg für Steuerflüchtlinge ist. Von den Sitzgesellschaften in Luxemburg, die ein Volumen von 2200 Milliarden Euro verwalten, kennt man nicht einmal die Hälfte der wirtschaftlich Verfügungsberechtigten. Bei dem größeren Teil handelt es sich somit um intransparentes Vermögen, dessen Herkunft und Eigentümerstruktur im Dunkeln liegen. Wenn man den Bock zum Gärtner macht, ist es nicht verwunderlich, dass die Offshore-Zentren in Europa nicht trockengelegt werden.
Der geschätzte Steuerausfall in derEU beträgt – je nach Berechnungsmethode – zwischen 50 und 100 Milliarden Euro, und zwar pro Jahr. Dabei stehlen die Steueroasen das Geld der anderen Staaten. Steueroasen sind das Krebsgeschwür des Finanzwesens und gefährden gleichzeitig unser demokratisches Gesellschaftssystem. Sie führen dazu, dass die Ungleichverteilung immer mehr zunimmt und sich einige wenige zulasten der Allgemeinheit bereichern. Was kann die EU gegen diese Steuerhinterziehungspraxis tun? Das Verblüffende dabei ist, dass die Antwort auf diese Frage so einfach ist. Man müsste nur die europäische Zinssteuerrichtlinie auf juristische Personen (Anstalten, Stiftungen, Trust etc.) und Dividenden aus Aktien und Investmentfonds ausweiten und eine europaweite Besteuerung der Unternehmensgewinne einführen. So wie in den Vereinigten Staaten, die die Gewinne der Konzerne auf Bundesebene berechnen und dann eine Aufteilung auf die einzelnen Bundesstaaten vornehmen, müssten Konzerne in der EU ebenso eine konsolidierte Bemessungsgrundlage ermitteln. ngesichts der ökonomischen Probleme in Europa, vor allem die hohe Arbeitslosigkeit, handelt die EU als Beitragstäterin, wenn sie nicht unverzüglich Maßnahmen setzt, um diesen seit Jahrzehnten geduldeten Steuerbetrug abzuschaffen. Mit den zig MilliardenMehreinnahmen könnte man dringend notwendige Maßnahmen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der EU finanzieren. Die EUmuss sich entscheiden, welchenWeg sie geht: Entweder ist sie weiterhin die Schutzherrin der Steuerhinterzieher oder sie verabschiedet einen Aktionsplan gegen Steueroasen zumWohle der Zukunft Europas. Dies würde auch der Interessenslage der ehrlichen Steuerzahler entsprechen. Johann Neuner ist Steuerberater in Klagenfurt
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