Mit der spitzen Feder in Idyllen
„Am Fuß des Wörthersees“– so der Titel seiner neuen Sammlung an Satiren – stocherte Egyd Gstättner mit gewohnt spitzer Feder in den Schein-Idyllen. Hier ein Auszug aus seiner Visite im doch recht wundersamen „Hotel LetzterWille“.
Brenn am Brennsee im Brenntal. Was für eine Idylle! Mitten in sattem Grün bewaldeter Bergrücken und dahinter hervorlugender Almen und Gebirgszügen ein klitzekleines Dorf, ein klitzekleiner Hauptplatz mit einer mächtigen alten Linde in seiner Mitte, linkerhand das Hotel Alte Post, rechterhand der Lindenhof, beide mit Gastgärten auf dem Platz. Das Servierpersonal nett und freundlich, und es wirkt ein bißchen so, als wäre es außerhalb der Saison Stallknecht und Kuhmagd. In einem so kleinen Ort . . . ; die Szene ist wie geschaffen für einen Film, ein Stück, eine Geschichte.
Leberreissuppe, Grillteller, ausgezeichnet. Der Kellner bringt mir Ketchup in einer Schüssel in einer Menge, als hätte ich Kompott bestellt. Ich vertreibe mir die Zeit zwischen den Gängen mit TucholskyLektüre (. . . der tödlichen Katastrophe des Krieges folgte das moralische Vakuum der Nachkriegszeit. Nichts in dieser aufgelösten Zeit ist mehr original, alles nachgemacht. Selbstsucht regiert, besonders in bürgerlichen Kreisen. Zu viel Börse im Leben . . .). Ich lege das Buch aber bald hin und beobachte lieber: Ein einheimisches Mädchen, ein einheimischer Bursche: Nazl, kummst zum See? Jo, hobi schon vur. Ja, hier heißen Burschen noch Nazl, was von Ignaz kommt, was der Unbekannte, vielleicht auch der Unerkannte bedeutet, unbekannt und unerkannt sind wir ja alle hier. enig Verkehr am Hauptplätzchen glücklicherweise, die Müllabfuhr, dann ein Fliesenfirmenwagen, der Bäcker, da doch ein Berliner Kennzeichen, eines aus Nürnberg, eines aus Bern. Immerhin. Ich sitze im Schatten der Linde im Garten der Alten Post, gegenüber im Lindenhofgarten ein mittelaltes deutsches Paar. Er liest die Bild-Zeitung (die Trafik am Ortsende gleich da hin-
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