Rückkehr in das roteMachtzentrum
Alfred Gusenbauer drängte SP-Gewerkschaftsfunktionäre in der Partei zurück. Jetzt sind sie zurück, stärker denn je.
nen Mitgliedsbeiträge inklusive des Streikfonds im karibischen Sand versenkt wurden, eine Ballung von Gewerkschaftern in Machtpositionen undenkbar.
Heute erscheint der ÖGB – trotz sinkender Mitgliederzahlen von fast 1,8 auf knapp 1,2 Millionen – mächtiger denn je. Alfred Gusenbauer ist mit dem Versuch einer Ämtertrennung, dass führende SPÖ-Gewerkschafter kein Nationalratsmandat haben, gescheitert. Zu den Ministern kommtWolfgang Katzian alsVertrauter des Bundeskanzlers, neben seinem Sitz im Parlament auch Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten. Ihn flankieren mit dem steirischen Bau- und Holzgewerkschafter Josef Muchitsch beginnend viele SPÖ-Abgeordnete ähnlichen Hintergrunds.
In der ÖVP sind Bauern- und Wirtschaftsbund oft besser organisiert, doch am Arbeiter- und Angestelltenbund ÖAAB mit dem früheren Chef Michael Spindelegger und der jetzigen Frontfrau Johanna Mikl-Leitner geht kein Weg vorbei. An der Allianz schwarzer Lehrergewerkschafter mit Fritz Neugebauer sind fast alle reformfreudigen Unterrichtsminister zerbrochen. Was sich bei Neugebauers Nachfolgern nicht ändert.
Frage der Vereinbarkeit
Obwohl laut APA/OGM-Vertrauensindex dem ÖGB rund je 40 Prozent ver- und misstrauen – ein im Institutionenvergleich mittelmäßigerWert, der Rest hat keine Meinung –, stehen Gewerkschaften in ihrer Bedeutung außer Streit. Es ist objektiv so, dass Gewerkschaften Forderungen von Arbeitnehmern zusammenfassen, artikulieren und umzusetzen versuchen. Der Einzelne hätte da null Chance, ob es nun um Löhne oder Dienstzeiten geht.
Es wäre im Sinn des sozialen Ausgleichs und der Gerechtigkeit abzulehnen, wenn die Politik vor allem Unternehmerinteressen widerspiegelt. Sogar Verfechter des freien Wettbewerbs müssen zugeben, dass dieser keine unsichtbare Hand als Regulativ bis hin zu einer fairen Arbeitswelt enthält. Daher brauchen wir Gewerkschafter.
Die Frage ist, inwiefern deren natürlich interessengeleitetes Denken mit staatspolitischen Ämtern vereinbar ist. Wenn im Funktionsablauf einer Demokratie Gewerkschaften ihre Interessen durchsetzen, so wollen sie bei Gesetzen und Verordnungen ihre Vorstellungen des Regelinhalts verwirklichen. Da machen Parteien nichts anderes.
Der große Unterschied in der theoretischen Politikwissenschaft ist, dass Parteien die Interessenumsetzung erreichen, wenn sie Teil der Regierung werden. Im Gegensatz zur SPÖ oder ÖVP darf das der Verein ÖGB nicht. Im Umkehrschluss sollte der ÖGB die Politik von Regierung und Parlament bloß von außen beeinflussen.
Das Gegenargument sieht so aus: Interessen, die nicht zugleich von Parteien vertreten werden, habenweniger Chancen, realisiert zu werden. Warum also sollte die Gewerkschaft ihre Funktionäre nicht im Nationalrat und als Ministerwollen? Die enge Verbindung von SPÖ und ÖGB bis hin zu Doppelfunktionen im Nationalrat und den Landtagen ist da verständlich.
Interessenskonflikt
Victor Adler (1852–1918), Begründer der SPÖ bzw. der seinerzeitigen ÖSP, sprach von siamesischen Zwillingen. Gusenbauer verwies auf Defizite des Vergleichs, weil imTrennungsfall oft ein Zwilling stirbt. Nach der skizzierten Logik aber müssen Gewerkschaftsfunktionäre politische Ämter anstreben.
Der Haken ist, Regierungsparteien sind für das Staatsganze verantwortlich. ÖGB-Vertreter haben den Auftrag von Mitgliederinteressen ihrer (Teil-)Gewerkschaft. Da ist eine Schere im Kopf von Regierungs-, Parteiund Gewerkschaftsrolle klar. Daher dürften Gewerkschafter durchaus Volksvertreter sein, doch müssten alle Parteien den Klubzwang aufheben.
Erst dieser bedingt bei ÖGBlern als Abgeordnete unlösbare Interessenkonflikte. Weniger die doppelte Funktion ist das Problem, sondern die vorgegebene Fraktionsdisziplin, als Gewerkschafter mit der Parteilinie zu stimmen. Es geht nicht nur darum, ob Werner Faymann ohne gewerkschaftliche Hausmacht in seiner Partei überlebensfähig ist. Genauso wichtig ist, inwieweit umgekehrt Gewerkschafter sich von der Partei lösen können. Peter Filzmaier ist Professor für Politische Kommunikation an der Universität Graz und der Donau-Universität Krems.