Wir sind 1, 2, 3 – alle!
Weihnachten ist wie das vermeintliche Auge des Orkans. Als Vater-Mutter-Kind-Familie versuchen wir gerade jetzt, uns nicht vom Tag verschlingen zu lassen. Unsere Tochter gibt dabei die Devise aus.
WVON ANDREAS KANATSCHNIG enn der Papa zu Hause ist, dann sind wir alle!“Meine Tochter Karla hat recht, mehr sind wir nicht: nämlich 1, 2, 3 – alle. Die Zahlenmystik meiner Tochter steckt uns als Familie ab. Wenn einer von uns nicht zu Hause ist, sind die anderen beiden allein.
Karla sieht das so. Meine Frau Michaela (34) und ich auch. Wir sind eine Familie, eine klassische Familie: Eltern und Kind unter einem Dach, unser Zuhause ein Ort der Geborgenheit und des Zusammenhalts, wir geben uns Schutz und sind stark füreinander. Siewerden sich jetzt denken: Was für ein Angeber! Bin ich nicht, habe ich nicht notwendig. Wenn Weihnachten naht, drängt es mich noch mehr als sonst, über dasWesen unserer Familie nachzudenken. Weihnachten bedeutet für mich Herberge, also Heimat, Familie und Freunde, das ewige Gefühl der sorgenfreien Kindheit und die Stille in einer sich selbst verschlingenden Zeit.
Bevor unsere Tochter Karla 2012 zurWelt kam, waren wir auf Herbergssuche. Wir haben unser Nest in Maria Rain gebaut, eine Art „Suburbia“von Klagenfurt mit Blick auf die Drau. Ländliche Idylle ohne ländliche Gemeinschaft, also etwas für Kärntner Städter. Meine Tochter mag die Geschichte von Maria und Josef und dem kleinen Jesuskind auch, vielleicht, weil wir selbst auf der Suche waren. „Jofes und Maria“, sagt sie. Und jedes Kind in der Krippe wird sie als Jesuskind identifizieren.
Wir fühlen uns wohl in Maria Rain. Von hier aus organisieren wir unseren Alltag: Wenn wir beide arbeiten, meine Frau ist auch Redakteurin bei der Kleinen Zeitung, geht unsere Tochter in die Kindergruppe. Von 9 bis 18 Uhr, ein langer Tag für ein zweijähriges Kind. Zum Glück arbeitet Michaela nur zwei Tage die Woche. Arztbesuche, Kindergruppe, Einkaufen – die Liste kann in die Unendlichkeit und noch viel weiter verlängert werden – organisieren wir uns allein: Michaela, Karla und ich. Und das ist mein Gefühl: Wir sind als Familie allein. eihnachten ist für mich der sichtbarste Ausdruck, Familie sein zuwollen. Diesbezüglich bin ich Traditionalist. Das Fest verlangt es fast, dass man Familie ist, und trifft alle jene hart, die keine
Wsind, die an den Grenzen dieses familiären Hochfestes trudeln und die Haltegriffe des Lebens nicht zu fassen bekommen. eihrauchduft erfüllt den Raum, Vanillekipferln backen im Rohr, John Lennon trällert „And so this is Christmas“, Glühwein köchelt am Herd, wir öffnen mit unserer Tochter jeden Tag ein Fensterchen an ihrem Adventkalender, meine Weihnachtsabteilung in der Bibliothek wird erweitert, wir lesen Weihnachtsgeschichten und schauen uns zum hundertsten Mal den Film „Das ewige Lied“an. Wir drei erleben in unserer Kernfamilie das Weihnachtsfest und die Adventzeit als größte Möglichkeit, zusammenzurücken. Doch als Familie sind wir allein. Unsere Herkunftsfamilien sind Großfamilien, zwei Clans, die sich beide in zwei entgegengesetzten Himmelsrichtungen ausbreiten. Räumlich sind wir getrennt, die Organisati-
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