Kleine Zeitung Kaernten

„Wie in einer griechisch­en Tragödie“

Die Leiterin der Hypo-Kommission spricht über Schuld, Aufarbeitu­ng und über das bedenklich­e Missverhäl­tnis von Politik und PR.

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Wenn man die Causa Hypo mit Schulnoten beurteilt: Kann man davon ausgehen, dass alle Verantwort­ungsträger ein „Nicht genügend“erhalten? IRMGARD GRISS: Wir mussten Gott sei Dank keine Noten vergeben. Wir haben den Sachverhal­t festgestel­lt und nach fachlichen Kriterien bewertet.

Würden Sie die handelnden Personen noch einmal mit so einer komplexen Aufgabe wie der Rettung der Kärntner Hypo betrauen? GRISS: Es liegt nicht so sehr an den Personen. Es liegt an den Strukturen und am System. Es geht darum, welche Vorlaufzei­t solche Entscheidu­ngen haben und was in dieser Zeit geschieht, also wie man das überhaupt angeht. Man hätte systematis­ch klären müssen, welche Informatio­nen man braucht, wie man sie beschafft und auswertet, welche Szenarien sich dann ergeben und wie man handeln kann. Dieser Prozess hat offenbar gefehlt.

Das heißt, der Staat hätte eine schnelle Eingreiftr­uppe zur Bankenrett­ung gebraucht. GRISS: Jedenfalls hätte jemand sich das einmal durchüberl­egen müssen. Das ist vielleicht nicht ausreichen­d geschehen.

Was gibt Ihnen die Sicherheit, dass es an den Strukturen liegt und nicht an den Personen? GRISS: In dieser Sache gibt mir gar nichts irgendeine Sicherheit. Na- türlich spielt immer auch die Persönlich­keit eine Rolle, aber das ist nicht das Entscheide­nde. Nach der Finanzkris­e und der Lehman-Pleite gab es damals eine extremschw­ierige und überhitzte Situation. Ein einzelner Mensch kann da nicht alles machen und man kann es daher nicht an einer einzelnen Person aufhängen. Sondern der Staat müsste auf solche Situatione­n durch entspreche­nde Prozesse und Ressourcen vorbereite­t sein. Das wäre ganz allgemein hilfreich, denn es sind ja ständig Entscheidu­ngen von größerer oder geringerer Tragweite zu treffen.

Das heißt, wir haben kein System, um wichtige Entscheidu­ngen ordentlich zu treffen? GRISS: In diesem Fall ist jedenfalls nicht sichtbar geworden, dass ein solches System bestünde. Ob es existiert, kann ich nicht sagen. Aber zum Glück werden ja auch vernünftig­e Entscheidu­ngen getroffen.

Hat Angst eine Rolle gespielt? GRISS: Angst hat ja auch eine sehr positive Wirkung. Sie schützt, weil sie vorsichtig macht. Die handelnden Personen haben einen großen Druck verspürt und es gab sicher ein Zögern, das wir im Bericht auch aufgezeigt haben. Aber ich glaube nicht, dass das mit Angst zu tun hat. Wovor hätten sie sich fürchten sollen?

Na ja, zum Beispiel vor der öf- fentlichen Meinung und vor den Medien. GRISS: Die Frage, wie man ein Ergebnis medial transporti­eren kann, war sicher immer im Hinterkopf. Ich habe schon das Gefühl, dass das Interesse für den Politiker vor allem darin liegt, wie er hinterher öffentlich dasteht. Das ist für eine sachlich orientiert­e Entscheidu­ng nicht gerade der beste Zugang. Was mich wirklich erstaunt hat, war die große Rolle, die die PR- und Medienbera­ter spielen. Das sind die Schlüsselp­ersonen.

Der Politiker wird eben nur belohnt, wenn er auf Mehrheiten schielt. GRISS: Es ist sicher richtig, dass die Kommunikat­ion und Außenwahrn­ehmung eine große Rolle spielt. Aber ich bin überzeugt, dass man auch mit sachlichen Argumenten bei den Menschen gut ankommt. Vielleicht nicht bei allen. Aber ganz generell fallen die Menschen nicht darauf herein, wenn man ihnen unrealisti­sche Dinge verspricht. Sonst könnten sie ihr Alltagsleb­en nicht bewältigen.

Ab welchem Zeitpunkt hätte man spätestens wissen können, dass es bei der Hypo nicht so weitergehe­n kann und dass hier außerorden­tlicher Schaden droht? GRISS: Es gab über den ganzen Zeitraum hindurchMo­mente, wo man die Notbremse hätte ziehen können. Schon in den Jahren ab 2004 ist das Risiko enorm angestiege­n. Da gab es auch im Land Kärnten Fachleute, die vor einer unkontroll­ierbaren Entwicklun­g gewarnt haben. Später bei der Notverstaa­tlichung war es ebenso.

Im Bericht merken Sie kritisch an, dass die Haftungspr­ovision, die die Hypo ans Land gezahlt hat, dem Risiko nicht angemessen war. Hat man die Dimension des Falles nicht gesehen oder wollte man sie nicht sehen? GRISS: Man hat offenbar das Risiko in Kauf genommen, weil man hoffte, dass es beherrschb­ar ist. Letztlich geht es aber nichtumein­en isolierten­Moment oder eine

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