ZEIT IM BUCH Der Krieg ist immer dabei
Zwischen den Fronten: In seinem InterviewBuch „Brennpunkt Ukraine“beschreibt ORF-Korrespondent ChristianWehrschütz den Alltag zwischen Trümmern, Chaos und Sorge.
Ganze 17 Tage hat ChristianWehrschütz heuer mit seiner Frau Elisabeth verbracht. So sehr hat der „Brennpunkt Ukraine“den ORF-Korrespondenten, der auch für die Kleine Zeitung schreibt, acht Sprachen spricht und Militärdolmetscher fürRussisch und Ukrainisch ist, in Beschlag genommen.
Wehrschütz interessierte sich schon in den 1990er-Jahren für das hinter Russland flächenmäßig größte Land Europas, das 1991 wurde und mit dem bis dahin die meisten nurTschernobyl in Verbindung brachten.
Seit einem Jahr steht das gebeutelte Land im Fokus derWeltöffentlichkeit, und kaum ein Tag vergeht, an dem Wehrschütz nicht von dort berichtet. Für sein neues Buch führte er 14 berührende, erhellende Interviews mit Anhängern der prorussischen und der ukrainischen Seite, Politikern, aber auch mit Bewohnern aus der Oblast Donezk, die unge- wollt in die Schusslinie der Mächte zwischen prowestlich und prorussisch geraten sind. Wie kommt man im Granatenhagel zu Brot? Womit die Miete bezahlen, wenn man monatelang kein Gehalt bekommt? Behutsam führtWehrschütz Gespräche, die unter die Haut gehen.
Der ehemalige ukrainische PräsidentWiktor Juschtschenko, einstHoffnungsträger der „Orangen Revolution“, der nach einem Dioxin-Attentat durch sein entunabhängig stelltes Gesicht traurige Berühmtheit erlangte, appelliert im InterviewmitWehrschütz an Europa, sich nicht nur über wirtschaftlicheRentabilität im Ukraine-Konflikt den Kopf zu zerbrechen. Ohne eine politische und menschliche Wertehaltung könne keine Aggression verhindert werden, sagt Juschtschenko, „die den europäischen Kontinent für viele Jahre inRuinen legen kann“.
Die Situation in der Ukraine erinnere ihn an das „Münchner Abkommen“von 1938. In ihm stimmten Großbritannien und Frankreich einer Zerstückelung der Tschechoslowakei zu, um nicht gegen Hitler Krieg führen zu müssen. Juschtschenko erinnert daran, was Winston Churchill damals zuNeville Chamberlain sagte: „Sie haben die Wahl, Herr Premierminister: entweder Krieg oder Schande. Sie haben die Schande gewählt und bekommen den Krieg.“
MANUELA SWOBODA