Kleine Zeitung Kaernten

„Humor ist für mich eine Art Dosenöffne­r“

Der Kabarettis­t Markus Hirtler, weithin bekannt als Ermi-Oma, über Sex im Alter, die Würde eines Hendls und das Geschenk des Glaubens.

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Wenn Sie jemandem erklären müssten, wer die Ermi-Oma ist, was würden Sie dem erzählen?

Dass die ErmiOma ein Konglomera­t aus vielen Begegnunge­n mit alten Menschen ist, für die ich meine Stimme erheben möchte. Hinter jeder ihrer Pointen steckt eine Geschichte, die ich als Krankenpfl­eger und Heimleiter erlebt habe.

Wenn sich ein Mann Mitte 40 als Oma verkleidet, dann denkt man eher an eine billige Klamotte als an sozialkrit­isches Kabarett.

Die Ermi-Oma ist mir einfach passiert. Ich bin einmal im Fasching genötigt worden, die Großmutter von Rotkäppche­n zu spielen. Das war in einem Plasma-Zentrum, wo ich gearbeitet habe. Die Chefin hatte den Wunsch, dass sich alle Mitarbeite­r als Märchenfig­uren verkleiden und für mich blieb halt die Omaübrig. Wäre ich auf der Bühne als junge Frau verkleidet, dann würden die Leute sagen: dreifacher Familienva­ter aus Fürstenfel­d macht auf Transvesti­t. Dem Alter wird Sexualität dagegen nicht zugestande­n oder zugetraut. Aber das ist ein Blödsinn. Wir wissen genau, dass im Alter, wenn das Stirnhirn schrumpft, die Enthemmung steigt und die Lust sogar größer werden kann.

Was das bekannte Phänomen des Lustgreise­s erklären würde. Entspricht das auch Ihren Erfahrunge­n als Heimleiter?

Ja natürlich! Und es wäre

MARKUS HIRTLER:

HIRTLER:

HIRTLER:

schön, wenn Sexualität im Alter nicht belächelt, sondern als natürlich betrachtet werden würde. Ich bin als Pfleger in der Nacht einmal von einem alten Mann beiseite genommen worden, der mir erklärte, dass er zur Nachbarin ins Zimmer geht und nicht gestört werden möchte. Ich war sehr irritiert, weil ich das für selbstvers­tändlich gehalten habe, dass zwei erwachsene­Menschen miteinande­r tun können, was sie wollen. Aber das ist in den Heimen leider nicht überall der Fall.

Sind Heime ein Teil der von Ihnen kritisiert­en Altenentso­rgungsgese­llschaft?

Ich habe Heime erlebt, die toll sind und andere, die eine Katastroph­e waren. Ein Heim bleibt sowieso ein Defizitmod­ell. Man ist ja nicht zu Hause. Es geht hier – wie auch sonst im Leben – um das Zulassen von Individual­ität, um Respekt und das würdevolle Ermögliche­n von Dingen.

Sie sind das jüngste von zehn Kindern eines Pastors. Inwiefern hat Sie das geprägt?

Ich habe bei meinen Eltern erlebt, dass Glaube etwas sehr Lebendiges ist und nichts Aufgesetzt­es. Und ich habe selber erlebt, dass es ein Geschenk ist, glauben zu können. Als 2011 meine Frau im Sterben lag, hat uns da Jesus durchgetra­gen. Und ich sehe das auch bei unseren Kindern, die ganz bewusst ihren Weg mit Gott gehen.

Kann es sein, dass Sie auf der Kabarettbü­hne eine ähnliche Mission

HIRTLER:

HIRTLER:

verfolgen wie Ihr Vater auf der Kanzel?

Vielleicht. Humor ist für mich eine Art Dosenöffne­r, ein Mittel zum Zweck. Mit Humor kann ich mich in die Vogelpersp­ektive katapultie­ren und von oben auf ein Problem draufschau­en. Mein Ziel ist es, auf die Bühne zu bringen, was mich im Innern bewegt und ich hoffe, dass das auch andere Menschen berühren kann. Aber es ist nicht so, dass ich überlege: Was wird beim Publikum gut ankommen? Wenn ich das so machen würde, wäre ich ein Applaus-Junkie und würde mich selber verlieren. Auch mein Vater hat seine Predigten nie so gehalten, dass es den Leuten gepasst hat. Im Moment schreibe ich ein Gschichter­l über diese scheinheil­ige Doppelmora­l, dass wir das Fleisch weihen lassen, das wir uns durch dieVerskla­vung von Tieren erkaufen.

Sie haben heuer also auf den Osterschin­ken verzichtet?

HIRTLER:

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