PORTRÄT DES TAGES Der Arzt, der die Sportwelt begeistert
Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt (72) und das Ende bei Bayern München.
SeinVater, ein Pastor in einer ostfriesischen Gemeinde, wollte einst, dass er Pfarrer wird. Geworden ist er einer der gefragtesten Sportmediziner der Welt. Hans-Wilhelm MüllerWohlfahrt, in seinen jungen Jahren selbst Leichtathlet, widmete sich ab seiner Promotion zum Doktor der Medizin der Sportwelt. Im Jahr 1977 wurde er auf Empfehlung von „Kaiser“Franz Beckenbauer Vereinsarzt von Bayern München. Es war der Beginn einer beinahe vier Jahrzehnte langen Berufsbeziehung.
In dieser Zeit gehörten nicht nur die Spieler des FC Bayern und des deutschen FußballNationalteams zu Müller-Wohlfahrts Stammklientel. Auch Usain Bolt ist von ihm angetan. Der Jamaikaner widmete seinen 100-Meter-Triumph bei den Olympischen Spielen 2012 in London seinem Arzt. „Ein Stück dieser Medaille geht nach Deutschland. Der Doktor ist ein ganz, ganz großer Mann. Vielen Dank, Doktor!“Als der ehemalige deutsche Tennisspieler Boris Becker in seiner aktiven Zeit bei Grand-Slam-Turnieren spielte, flog ihm Müller-Wohlfahrt im Privatjet hinterher. Heute vertrauen das deutsche Ski-Ass Felix Neureuther und viele andere Spitzensportler aller Sparten aus der ganzen Welt dem Mediziner.
Der Arzt selbst vertraut seinen Fingerkuppen. Müller-Wohlfahrt „sieht“mit den Fingern und er- kennt Verletzungen seiner Sportler meist mit den Händen. Aus der Not wurde eine Tugend, hat er doch auf dem Fußballplatz auch keine medizinischen Geräte zur Seite. „Er ist ein Phänomen als Arzt und als Mensch. Er ist Tag und Nacht für uns da. Er übt seinen Beruf mit einer Leidenschaft aus, das ist keine Arbeit für ihn“, lobte ihn der ehemalige Bayern-Trainer Jupp Heynckes.
Die Beziehung zwischen Müller-Wohlfahrt und dem FC Bayern erfuhr bereits einmal eine Auszeit. Im Jahr 2008 quittierte der Sportmediziner nach einer Fehde mit dem damaligen Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann seine Tätigkeit. Als dieser wenige Monate darauf entlassen wurde, kehrte Müller-Wohlfahrt wieder zurück. Nun dürfte es keine Auszeit sein – Pep Guardiola hat die Liebe zwischen dem Arzt und den Bayern endgültig erkalten lassen. DAVID BAUMGARTNER