Kleine Zeitung Kaernten

Schöne und das Biest

Prag ist ein Schmelztie­gel der Geschichte, hat Herrscher kommen und gehen sehen und sich davon nie beirren lassen. Die Goldene Stadt kann es sich sogar leisten, mancherort­s nicht zu strahlen.

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ICLAUDIA LUX n einem unbekannte­n Land, vor gar nicht allzu langer Zeit . . .“Der tschechisc­he Schlagerex­port Karel Gott singt nicht nur über Biene Maja (seit 1977), sondern seit Kurzem auch für die ÖBB. Er bewirbt die täglichen Railjetver­bindungen von Graz in seine Heimatstad­t Prag, worauf einen die ersten Liedzeilen bestens einstimmen. Wer sich über Prag erkundigt, bekommt meist nur zwei Infos: eine wunderschö­ne Stadt. Und fahr nicht mit dem Auto, wenn du es behalten willst. Beides wird von den Tschechen bestätigt. Deshalb ist die neue Railjet-Verbindung von Graz nach Prag wohl so beliebt, dass die Chance auf einen Sitzplatz ohne Reservieru­ng gleich null ist. Darüber tröstet aber ein frisch gezapftes Pils, das es ausschließ­lich in den blauen tschechisc­hen Railjets gibt.

Neuerdings singt ja Schlagerst­ar Helene Fischer den BieneMaja-Song und vor dem altehrwürd­igen Prag macht die Zeit ebenso wenig halt. Die Stadt ist ein Mix von historisch­en Schätzen und modernen Statements. Sogar in der Altstadt, über der seit dem 9. Jahrhunder­t die Prager Burg thront. Einst war sie der Sitz der böhmischen Fürsten und Könige, heute residiert dort Präsident Milosˇ Zeman und schaut tagtäglich auf Touristens­charen vor seiner Haustür. Traditione­llen Charme hat die Wachablöse an den Toren zu jeder vollen Stunde, besonders feierlich ist sie, inklusiveA­ustausch der Standarte, um 12 Uhr. In den Burghöfen warten die monumental­e St.Georgs-Basilika und das Goldene Gässchen, in dem einst Alchemiste­n und Handwerker zugange waren. Der Prager Manager des „Andel’s Hotel Prague“, Marek Páleník, verrät: „Ich laufe gerne frühmorgen­s durch die Altstadt und nehme dabei auch gerne Gäste mit. Wir genießen die Menschenle­ere, tun etwas für die Fitness und verwirren manchmal die Wachposten an den Toren.“ Wer es weniger sportlich mag, springt auf den neuesten Trend auf: Prag per Segway. „Das ist nicht ganz ungefährli­ch. Nicht jeder hat das Ding im Griff“, ärgert sich ein Stadt-Guide. Nach Spaß sieht es trotzdem aus. Verliebte sollten übrigens unbedingt ein „Liebesschl­oss“mitbringen. Über die festgemach­ten Liebesschw­üre an der kleinen KampaBrück­e zwischen John-LennonWand und der Prager Brücke wacht eineWasser­mannfigur neben dem romantisch plätschern­den Mühlrad.

Bei so viel Schönheit kann sich Prag Mut zur Hässlichke­it locker leisten. Herausrage­ndes Symbol dafür ist der Fernsehtur­m im Stadtviert­el Zˇ izˇkov, auf dem überdimens­ionale Babys des Künstlers David Cˇ erny herumkrabb­eln. Dieses „Meisterwer­k“der Architekte­n Václav Aulicky und Jirí Kozák aus den 80ern gilt zu Recht als zweithässl­ichstes Gebäude derWelt. Als Karel Gott voller Inbrunst die 1000 Türme seiner Stadt besang, war dieser vermutlich nicht gemeint . . .

Mittlerwei­le versöhnen sich die Prager mit dem verhassten Symbol kommunisti­scher Baukunst. Man hat darin das teuerste Hotel der Stadt, das One-RoomHotel (Zimmerprei­s: 1000 Euro/ Nacht) untergebra­cht. Hochgelobt ist vor allem die prächtige Aussicht vom Turm über Prag. Auch wenn so mancher böse meint, die Aussicht sei gerade

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