Jubilare mit Auftrag
Es war dieWoche der großen Geburtstage. Die Sozialdemokratie feierte ihren 70er, die Volkspartei weniger Tage später. Beide sind fast gleichzeitig in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 wiedergeboren.
Wer einen Runden begeht und sich Nachdenklichkeit gönnt, nützt Geburtstage zur Selbstbefragung: Wo komme ich her, wer bin ich geworden, wo muss ich Verfestigtes korrigieren? Die Jubilare beschworen das Gewesene, die Glaubwürdigkeitskrisen und Erosionsprozesse blieben ausgespart. Das muss man nicht verwerflich finden. Das Lob der Vergangenheit ist ja berechtigt. Der zweite Anlauf, eine demokratische, achtbare Republik zu werden, ist in diesen 70 Jahren spektakulär geglückt. Aus den materiellen und moralischen Trümmerfeldern ist etwas Blühendes erschaffen worden, mit Fleiß und Inspiration. Es ist das Verdienst beider Parteien. Sie waren in schweren Zeiten Klammer und Triebfeder und in entscheidenden Momenten ein Bollwerk gemeinsamen Wollens. Der Beitritt zur EU war eine solche Großtat, die letzte.
Schön wäre es gewesen, hätten sich die Geburtstagskinder auf eine gemeinsame Feier verständigt, um solcher Sternstunden vereint zu gedenken und aus dem Erinnern neue Willenskraft zu schöpfen. Klar ist, dass der Wohlstand und die brüchig gewordene Wettbewerbsfähigkeit des Landes nur bewahrt werden können, wenn der Wohlfahrtsstaat umgebaut und die Seile der Sicherungssysteme – von den Pensionen bis zur Gesundheit – neu gespannt werden. Wer, wenn nicht die sozialpartnerschaftlich gestützten Parteien, wäre berufen, diesen Umbau in Angriff zu nehmen? Sie sind es, die ihre Hinterlandschaft mitnehmen und einbinden können.
Dazu bedarf es auch einer reifen Wählerschaft. Erstmals geht es nicht um Verteilung, sondern um Beschneidung. Darin sind wir nicht geübt, eine Verzichtskultur hat sich seit den Aufbaujahren nie mehr etablieren müssen. Es ist gut und richtig, von der PolitikMut einzumahnen. Die Bürger müssen den Mut aber auch aushalten können. Das gilt nicht nur für die Bauern, die Hoteliers oder die Lehrergewerkschaften, es gilt für uns alle. as den Jubilaren wünschen? Alles Gute, und das Gute kann nur heißen: sich der Verantwortung für das, was in den siebenDekaden aufgebautwurde, würdig zu erweisen. Es gilt, das Erreichte durch Reformen zukunftssicher zu machen. Missachten SPÖ und ÖVP in den drei ausstehenden Jahren diesen Zukunftsauftrag mit zänkischem Klein-Klein, werden sie den 80er nicht mehr als Parteien feiern, die diesen Staat tragen.
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