DerFrühlingwirdpolitischnochsehrheiß
Wie weit geht Toleranz? Wie weit geht Europa? Aufgaben von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Bezug auf Modernität, Menschenrechte, Islam, Migration und Partizipation – diesem Themenfeld widmen sich die ersten „Europäischen Toleranzgespräche“, die vom 21. bis 23. Mai in Fresach stattfinden. Bundespräsident Heinz Fischer wird ebenso daran teilnehmen wie Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments. Er ließ sich von Landeshauptmann Peter Kaiser am Donnerstag in Brüssel detailliert über den aktuellen Stand in der Causa Hypo/Heta informieren. Kaiser war wegen des Ausschusses der Regionen in der EU-Hauptstadt. Bei dieser Gelegenheit präsentierte er gemeinsam mit den EU-Abgeordneten Eugen Freund und Othmar Karas sowieWilfried Seywald als Vertreter der Veranstalter die „Toleranzgespräche“in Brüssel.
Fresach knüpft mit der Veranstaltung an eine gute Tradition an: Von 1972 bis 1993, bis zum Fall des Eisernen Vorhangs, trafen sich an dem geschichtsträchtigen Ort internationale Schriftsteller. Damals dienten die Gespräche der Überwindung der Ost-WestGrenze. Im heutigen Europa gibt es andere Herausforderungen, deren Bewältigung der Toleranz bedarf. Dazu will man in Fresach einen Beitrag leisten und sich damit als erste Toleranzgemeinde Europas etablieren. Ein ehrgeiziges Vorhaben! Auf jeden Fall ein Vorhaben, das Kärnten die Möglichkeit gibt, nach den vielen negativen Schlagzeilen außerhalb des Landes wieder einmal positiv in Erscheinung zu treten.
Der Sozialdemokrat Schulz sagte seinem österreichischen Parteifreund Kaiser in Bezug auf die Hypo/Heta-Problematik zu, Kärnten im Rahmen seiner Möglichkeiten zu unterstützen. Mehr als diesen allgemeinen Stehsatz konnte sich der Landeshauptmann nicht erwarten. Denn die „Musik“spielt anderswo – auf dem juristischen Parkett, wo eine Klage nach der anderen gegen Kärnten wegen seiner Milliardenfür die PleiteBank eintrudelt, und inWien, wo über die unmittelbare Zukunft des Landes entschieden wird.
Am Donnerstag geht es bei einem Gipfelgespräch mit Bundeskanzler Werner Faymann, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans-Jörg Schelling um die Finanzierung des laufenden Betriebes des Landes. Kaiser, Finanzreferentin Gaby Schaunig und die anderen Regierungsmitglieder – Beate Prettner, Christian Benger, Rolf Holub, Gerhard Köfer, Christian Ragger – sollen mit den Unterlagen anrücken, welche Finanzierungen in ihren Ressorts anstehen undwelcheAuswirkungen es hat, wenn sie nicht getätigt werden können. Schaunig befürchtet durch das lange Tauziehen um die günstige Kreditfinanzierung über die Bundesfinanzierungsagentur „nachhaltigen Schaden“.
Auf der einen Seite könnten sich Projekte im Straßen- und Wohnbau um ein Jahr verzögern, obwohl die Aufträge unterschriftsreif in der Regierung liegen. Da geht es um die Beschäftigungsintensität. Auf der anderen Seite geht es um das Überleben von Kulturinitiativen: „Es geht um ein paar Tausend Euro für eine offene Kulturszene, die junge Leute anzieht. Da sind keine Eigenbeweihräucherungsevents dabei“, so die Finanzreferentin. Bei den Verhandlungen aufWiener Beamtenebene wird unterschwellig vermittelt, Kärnten dürfe halt keine Trachtenjopperln mehr finanzieren.
„Dinge, auf die man leicht verzichten kann, sind längst abgeschafft. Es tut wirklich weh“, sagt Schaunig, „egal wie man sich bemüht, es wird nicht gesehen.“Kärnten hat seit 2013 insgesamt 125 Millionen Euro im laufenden Betrieb eingespart.
Nicht nur wegen der Kreditfrage wird es noch ein sehr heißer politischer Frühling. Kaiser hat als Bildungsreferent sein Schulstandorte-Konzept fertig, Gesundheitsreferentin Prettner den Regionalen Strukturplan für die Spitäler. Beide Reformpläne sorgen imHintergrund schon für Unruhe. Bildungszentren, die Kaiser mitdemArgument der pädagogischen Qualität forciert, dürften viele Schulschließungen nach sich ziehen. Prettners Pläne mit dem Ausbau des LKH Villach als zweites Schwerpunktspital neben dem Klinikum Klagenfurt würden mit radikalen Leistungseinschränkungen in den Regionalspitälern einhergehen.
Die Pläne dürften SPÖ und ÖVPentzweien. Im letztenKoalitionsausschuss soll ÖVP-Chef Benger bereits sein Veto gegen Prettners Vorhaben angemeldet haben. Die Fronten stehen fest. Offen ist die Frage, ob man alle „Grauslichkeiten“auf einmal oder in homöopathischen Dosen auf den Tisch legt.