Ein Sieg, der Europas Ängste VON UNSEREM KORRESPONDENTEN
Nach dem Sieg der Tories fürchtet die EU den Abschied der Briten. In Brüssel will man David Cameron entgegenkommen, aber nicht um jeden Preis.
Der Kommissionspräsident habe dem britischen Premier zum Wahlerfolg gratuliert, versicherte der Sprecher von Jean-Claude Juncker amFreitag. DasVerhältnis der beiden gilt als nicht unbelastet, spätestens seit David Cameron im Vorjahr versuchte, Junckers Aufstieg an die Spitze der Brüsseler Behörde zu verhindern. Erfolglos. Und das sagt manches über Camerons Selbstisolierung in der EU.
Der Moment, an dem der Brite auf Distanz zu Europa ging, lässt sich genau benennen. Es war der 10. März 2009. Da kündigte Cameron den Rückzug seiner Tories aus der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament an. Schließlich hatte er das den Europaskeptikern in seiner Partei versprochen, im Gegenzug hatten die ihn zumParteichef gekürt. Und Cameron hat nun schon zum zweiten Mal für die Konservativen das Amt des Premierministers errungen.
Doch nun holt er zum nächsten Schlag aus: Bis 2017 werden die Briten in einemReferendumüber ihren Verbleib in der EU abstimmen. Europa fürchtet ein solches Votum mit ungewissemAusgang. Denn ein Brexit, also ein britischer Abschied aus der EU, wäre
PETER RIESBECK, BRÜSSEL für das Vereinigte Königreich sehr teuer und für die EU strategisch nur schwer zu verdauen.
Noch hält man sich in Brüssel bedeckt. Junckers Sprecher erneuerte seine Bereitschaft, mit den Briten über einen „fairen Deal“zu verhandeln. Juncker hatte zuvor klargestellt: „Ich will nicht, dass Großbritannien die EU verlässt, aber ich verweigere mich einer Agenda, die die anderen EU-Staaten nicht mittragen.“
So hält man in Brüssel die Freiheiten des europäischen Binnenmarkts – und dazu gehört die Arbeitnehmerfreizügigkeit – für einen elementaren Bestandteil des EU-Rechts, über den mit London nicht geredet wird. DieZuwanderung von Osteuropäern ist aber fürCameron ein großes Problem, er wittert Sozialmissbrauch.
Nicht nur in Brüssel verfolgt man Camerons Kurs skeptisch. Auch in den USA sieht man die unfreiwillige Selbstisolierung der Briten kritisch. Großbritannien könnte bald keine „zentrale Rolle in der Außenpolitik“mehr spielen, warnte der frühereNatoBotschafter der USA, Nicholas Burns, in der „Financial Times“.
Dabei war es um die britische Schlagkraft zuletzt gar nicht gut bestellt. Als die USA vor zwei Jahren nach Giftgaseinsätzen in Syrien zu Luftschlägen gegen das Assad-Regime aufriefen, mochte nur Frankreich folgen. Das britische Unterhaus verwehrte der Armee den Marschbefehl. Das hatte es so noch nicht gegeben.
Dennoch plagen Europa Verlustängste. Auch mit Blick auf die Vorgänge in Griechenland. Würde Hellas den Euro-Raum verlassen und Großbritannien die EU, hätte das fatale Folgen: Europas Einigungsprozess wäre plötzlich reversibel, die EU nicht mehr als ein Fitnessclub: Man kommt und geht, wie man will. „Die Briten gehören zu Europa“, darin ist man sich in Europas Hauptstädten einig. Das Königreich ist wichtig, es ist heimlicher Anwalt – gerade für die wirtschaftsliberalen skandinavischen Länder und die Niederlande. Manche se-