Das Liebeskarussell
Komplexe Liebesbeziehungen und Familienverhältnisse bestimmen zur Halbzeit das Programm im Bewerb von Cannes. Und ein ehemaliger Sieger erlebt ein vollkommenes Fiasko.
DIETER OSSWALD, CANNES
Nachdem im griechischen Festivalbeitrag „Hummer“bindungsunfähige Singles zur Strafe bereits in Tiere verwandelt wurden, dreht sich das Liebeskarussell lustig weiter in Cannes. Die französische Regisseurin Maïwenn erzählt nach ihremgefeierten Polizeidrama „Polisse“mit „Mon Roi“nun vom turbulenten Auf und Ab eines Pärchens. Emmanuelle Bercot, die als Regisseurin von „La tête haute“das Festival eröffnete, spielt hier die romantische Anwältin, die vom Verführer und Frauenversteher Vincent Cassel am Disco-Ausgang heftig bezirzt wird. Der Liebe folgen Baby, Hochzeit, Eifersucht, Scheidung, Suizidversuch sowie ein erbitterter Sorgerechtsstreit. Und doch können die beiden nicht voneinander lassen: Nach jeder Trennungsphase steht die nächste Versöhnung an.
Erzählt wird die hürdenreiche Lovestory rückblickend. Das Rad des Beziehungsdramas hat Maïwenn damit nicht neu erfunden, doch sie erzählt diese „Amour fou“mit kraftvollen Pinselstrichen und psychologischer Präzision. Ganz großer Beifall war der Dank des Publikums. Die Darsteller der zankenden Liebenden haben mit dieser überzeugenden Tour de force durchaus Chancen auf die Schauspiel-Palme.
Das gilt allerdings auch für Cate Blanchett und Rooney Mara als lesbisches Paar in „Carol“, der Verfilmung des autobiografischen Patricia-Highsmith-Romans von Todd Haynes. Im New York der 50er-Jahre verliebt sich die vornehme Carol spontan in die so naive wie hübsche Spielwaren-Verkäuferin Therese. Dem Flirt folgt große Leidenschaft – sehr zum Ärger des eifersüchtigen Gatten der reichen Dame. Deren Beziehung liegt zwar schon lange in Brüchen, doch der kleinen Tochterwegen hat Carol mit der Scheidung gezögert. Das Kind wird nun zum Druckmittel: Aus „moralischen Gründen“soll Carol das Sorgerecht entzogen werden. Mutterliebe oder Liebesglück – für dieHeldin ein schier unlösbares Dilemma.
Todd Haynes inszeniert, wie gewohnt, mit unglaublicher Leichtigkeit und Eleganz dieses Drama um eine einst unerlaubte Liebe. Die Blanchett überstrahlt mit grandiosem Charisma die Leinwand, derweil Rooney Mara als schüchternes Entchen, das zum stolzen Schwan erwächst, die perfekte Gegenspielerin gibt.
Kitsch- Fiasko
Weniger Glück als Haynes hatte sein Landsmann Gus Van Sant. Vor zwölf Jahren holte der „Good Will Hunting“Regisseur mit „Elephant“die Goldene Palme, diesmal bescherte ihm sein verunglücktes Drama „The Sea of Trees“ein Fiasko, wie es Cannes lange nicht erlebt hat. Bösen Buhrufen nach der Presse-