Kleine Zeitung Kaernten

„Folge deiner Nase!“

Anton Zeilinger wird heute 70. Österreich­s Renommier-Physiker über den Teufel, den lieben Gott, die Neandertal­er und uralte Zivilisati­onen im All.

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Herr Professor, wenn Sie auf Ihre Forschungs­arbeit zurückblic­ken: wie wichtig sind für den Quantenphy­siker Kreativitä­t und Intuition?

Absolut wichtig! Das Interessan­te an derWissens­chaft spielt sich dort ab, wo man die Dinge eben nicht logisch herleiten kann. Interessan­t wird es dort, wo ich nur mehr mit Intuition weiterkomm­e. Die guten Naturwisse­nschaftler sind die, die ein Gespür für die richtige Fragestell­ung haben und dafür, wo es weitergehe­n kann. Obwohl sie nicht erklären können, warum sie das eigentlich machen.

Wann folgt der Naturwisse­nschaftler seinem „Bauchgefüh­l“?

Das hat mit dem Bauch überhaupt nichts zu tun.

ANTONZEILI­NGER:

ZEILINGER:

Das ist Intuition, ein Prozess, der im Gehirn abläuft. Zum Teil nach logischen Grundsätze­n, zum Teil aber – und davon bin ich überzeugt – rein assoziativ. Also nicht: Aus A folgt B, aus B folgt C und so weiter. Sondern aus C folgt Q, und C und Q könnten vielleicht etwas miteinande­r zu tun haben.

Kreativitä­t und Intuition sind aus dem künstleris­chen Schaffen nicht wegzudenke­n. Sie haben die Gemeinsamk­eit von Kunst und Quantenphy­sik so definiert: „Man versucht die Welt zu verstehen. Das neue philosophi­sche Weltbild muss noch ausgearbei­tet werden, und ich sage immer: Uns fehlt der Kant der Quantenphy­sik.“Es gab Philosophe­n, die an Ihr Institut kamen und den Physikern über die Schulter schauten. Mitwelchem Ergebnis?

Es gibt eher realistisc­he Interpreta­tionen der Quantenmec­hanik. Ich erwähne zwei: Das eine ist die sogenannte Bohm’sche Interpreta­tion und das andere ist die Many Worlds Interpreta­tion. Beide versuchen – ich sage immer verzweifel­t – den Begriff einer Wirklichke­it zu retten, die un-

ZEILINGER:

abhängig von unserer Beobachtun­g existiert. Wir haben ein paar Kollegen davon überzeugen können, dass das eigentlich nicht der fruchtbare Weg ist, sondern, dass man auf der Kopenhagen­er Interpreta­tion aufbauen muss: Die besagt, dass der quantenmec­hanische Zustand nur unser Wissen über die Situation, nicht aber die Wirklichke­it repräsenti­ert. Oder die Wirklichke­it nur sehr, sehr indirekt beschreibt.

Arthur Schopenhau­er hat einmal gesagt: „Empirische­Wissenscha­ften rein ihrer selbst wegen und ohne philosophi­sche Tendenz betrieben, gleichen einem Antlitz ohneAugen.“Warum haben sich aus Ihrer Sicht Naturwisse­nschaften und Philosophi­e auseinande­rentwickel­t? War der

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