Keine Entwarnung
Wird die Arbeit der Bundesregierung kritisiert, passiert mit beeindruckender Verlässlichkeit Folgendes: Statt den Ursachen der Kritik auf den Grund zu gehen, wird umgehend der Kritiker kritisiert. Wer meint, das Pensionssystemsei aufgrund einer rasant steigenden Zahl an Bezugsberechtigten nicht dauerhaft finanzierbar, darf sich schon einmal als „selbst ernannter Pensionsexperte“oder „Alarmist“schimpfen lassen. Etwa vom Chef der SPÖ-Pensionisten Karl Blecha. Er sieht sich nun von einer Studie der EU-Kommission bestätigt. Laut dieser wird sich die Zahl der über 65Jährigen bis 2060 zwar fast verdoppeln, die Pensionskosten gemessen an derWirtschaftsleistung bleiben angeblich aber quasi stabil. Ein interessanter Befund, denn vor drei Jahren ist die EU-Kommission zu ganz anderen Schlüssen gekommen. Damals hieß es, dass die Auszahlungen an die Pensionisten von knapp 14 Prozent des jährlichen BIP bis zum Jahr 2030 auf 16,7 Prozent ansteigenwürden. Nunheißt es, dass die Ausgaben bis 2030 auf 14,4 Prozent des BIP steigen werden. Was wiederum Herrn Blecha zu folgender Analyse verführt: „Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In Sachen Sicherheit und Stabilität kann kein anderes System unserem gesetzlichen Pensionssystem dasWasser reichen!“
Wie aber ist es möglich, dass die EUKommission innerhalb von nur drei Jahren zu so unterschiedlichen Einschätzungen kommt? Die Antwort ist relativ einfach: Sie geht jetzt von deutlich optimistischeren Wirtschaftsdaten und einer stark steigenden Zuwanderung aus. Statt etwa 30.000Menschen jährlichwerden, so die EUKommission, über 50.000 nach Österreich einwandern und hier auch sofort Arbeit finden, wodurch dieWirtschaftsleistung deutlich schneller wächst als angenommen. Das österreichische BIP werde im Schnitt um 1,5 Prozent real wachsen, 2020 würden es sogar 1,9 Prozent sein. Eine ziemlich gewagte These, wenn man bedenkt, dass Österreich derzeit zu der Gruppe von Ländern mit dem schwächsten Wirtschaftswachstum zählt.
Hinzu kommt, dass die Kommission enorme Fortschritte bei der Anhebung des Frühpensionsalters unterstellt. Wurde in der alten Studie erwartet, dass es sich bis 2020 auf 61,8 Jahre erhöht, sind es jetzt 63,1 Jahre. Das ist bemerkenswert, die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, das Pensionsantrittsalter bis 2060 auf 62 Jahre anzuheben. ie hierzulande von den Pensionisten-Lobbyisten als Entwarnung gefeierte Studie gründet also auf einer Reihe höchst optimistischer Annahmen. Sich darauf zu verlassen, ist jedenfalls eine Strategie, die schon in der Vergangenheit nicht wirklich funktioniert hat: Allein heuer werden im staatlichen Umlagesystem mehr als zehn Milliarden Euro fehlen. Das ist eine Hypo Alpe Adria jedes Jahr.
arbeitet für die Agenda Austria
DMichael Christl