Ruheloser Vordenker
Bernd Schilcher ist tot. Der Grazer Rechtsgelehrte und Bildungspolitiker starb am Freitag in Graz.
Bernd Schilcher hatte viele herausragende Talente. Als ich ihn 1959 als Student der Juristerei kennenlernte, stand er bereits im Mittelpunkt. Er genoss als Grazer Heimvorteil an der Universität, er war groß, schlank, dunkelhaarig, gebräunt und lässig (später sagte man „cool“dazu). Wie es sich für einen Basketballspieler geziemte, überragte er sein Umfeld.
Nach dem ersten Studienabschnitt kamen wir uns näher. An den Unis begann es zu gären. Bei den Hochschülerschaftswahlen 1962 kamen die Seilschaften der Verbindungen, die bisher das Geschehen bestimmten, ins Wanken. Um Gerfried Sperl, den kommenden ÖH-Vorsitzenden, bildete sich eine Gruppe von Revoluzzern. Bernd Schilcher leitete bei der Schlusskundgebung in der überfüllten Aula denUmschwung ein. Er brillierte als Rhetoriker.
Es war der Einstieg in die Politik. Schilcher vertrat die Juristen in der Hochschülerschaft. Das Auge von „Joschi“Krainer fiel auf ihn. Er wirkte im Team junger Leute mit, das bei den Landtagswahlen 1965 die absolute Mehrheit für Landesvater Josef Krainer sen. feiern konnte. An der Weggabelung gab Schilcher jedoch der Wissenschaft den Vorrang. 1975 wurde er Professor an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, 1996 Vorstand des Instituts für Bürgerliches Recht. 2003 ging Schilcher, den Generationen von Juristen in Vorlesungen erlebt haben, in Pension.
Die Politik ließ ihn nie los. 1974 eroberte Schilcher ein Mandat imLandtag, 1985 wurde er Klubobmann. Schilcher war über die Steiermark hinaus als „bunter Hund“bekannt und anerkannt. Er saß schon zu Zeiten von Gerd Bacher im ORFKuratorium, war liberaler Vorund Querdenker in der Partei. Den Sprung in eine zentrale Position der ÖVP wagte er dennoch nicht. Seine wissenschaftliche Laufbahn, vor allem aber ein wenig ausgeprägter Machtinstinkt haben ihn abgehalten.
Was zunächst wie einAusgedinge wirkte, wurde aber zu seiner eigentlichen Leidenschaft. Schilcher wechselte 1989 in den Landesschulrat. Als dessen Präsident verließ er eingefahrene Geleise, legte sich mit Lehrergewerkschaftern und Direktoren an. Er wurde zum Befürworter der gemeinsamen Schule für alle bis zum 14. Lebensjahr. Auch nach seinem Abschied aus der Schulverwaltung warb er für das Ziel der Chancengleichheit in der Bildung.
Obwohl offiziell im Ruhestand, blieb er ruhelos, unter anderemals Gastkommentator für die Kleine Zeitung. Er hatte gesundheitliche Beschwerden überstanden und achtete auf seine körperliche Fitness. Beim Turntraining erlag Bernd Schilcher knapp vor seinem 75. Geburtstag trotz sofortiger ärztlicher Hilfe einem plötzlichen Tod. ERWIN ZANKEL