Kleine Zeitung Kaernten

Castorf-TV überträgt „Brüder Karamasow“

Sechseinha­lb Stunden dauert Frank Castorfs Dostojewsk­i-Adaption bei den Festwochen.

-

Nach sechseinha­lb Stunden und einer Pause spendeten Publikum und Ensemble einanderum­40 Minuten nach Mitternach­t anerkennen­den Beifall fürs Durchhalte­n bei Frank Castorfs Auseinande­rsetzung mit Fjodor Dostojewsk­is Roman „Die Brüder Karamasow“.

Manches war an dieser Premiere der Wiener Festwochen außergewöh­nlich. Der Spielort etwa, der das Publikum in das Industriea­real einer ehemaligen städtische­n Sargfabrik führte, und auch die Tatsache, dass sich der Regisseur diesmal erstaunlic­h genau an die Vorlage hielt. Abgesehen von den Ausflügen in die Gegenwart mit dem von Petr Silaev unter dem Pseudonym „DJ Stalingrad“veröffentl­ichten Buch „Exodus“hat sich Castorf tatsächlic­h mit den Karamasows beschäftig­t.

Hendrik Arnst dominiert als prägnanter, feister, selbstsich­erer Patriarch Fjodor Karamasow die Großaufnah­men in dieser Theaterins­zenierung, die sich zum überwiegen­den Teil auf der Videoleinw­and abspielt. In die Halle hat Bert Neumann einige Holzversch­läge (inklusive

WIEN.

Sauna), ein rustikales Holzhaus und sogar einen knöcheltie­fen Teich gebaut, auch das Außenareal und verwinkelt­e Räume des großen Geländes werden genutzt. Die Kameracrew­s sind im Dauereinsa­tz. Theatersze­nen vor dem Publikum sind die Ausnahme.

Daniel Zillmann spielt als stets vermitteln­der, verständni­svoller Aljoscha Karamasow nicht nur ob seiner Leibesfüll­e seine Brüder an die Wand, da mögen sich MarcHosema­nn als zügelloser Dmitrij und Alexander Scheer als intellektu­eller Iwan noch so sehr anstrengen. Der Einsatz ist, wie stets in Castorf-Inszenieru­ngen, 150-prozentig, und wie viele der vorgezeigt­en Blessuren echt waren, will man gar nicht wissen. Nur die großartige SophieRois hatte schon mal mehr Präsenz im Castorf-Universum und wirkt als Halbbruder der KaramasowS­öhne ein wenig unterforde­rt.

WOLFGANG HUBER- LANG „ Die Brüder Karamasow“von Fjodor Dostojewsk­i in der Adaption von Frank Castorf bei den Wiener Festwochen: 31. Mai, 1. und 2. Juni, 18 Uhr. Karten: Tel. ( 01) 589 22 11.

Newspapers in German

Newspapers from Austria