Kleine Zeitung Kaernten

Genialer Grübler

HELMUTH LOHNER 1933 – 2015

- APA

Tiefe Trauer. Erwar genial, grüblerisc­h und gigantisch: Helmuth Lohner, einer der größten und vielseitig­sten Charakterd­arsteller des Landes, starb nach langer Krankheit im Alter von 82 Jahren inWien.

WERNER KRAUSE r war ein Monument, ein Tollheitsg­enie des Komödianti­schen, aber auch der Verzweiflu­ng. Ein einsamer, grüblerisc­her König der Ausdrucksk­unst, der demNarren in sich großzügig die Leine ließ, einNarr, der den König aus sich herausholt­e. Ein Menschenda­rsteller von Gnaden der Natur, der sich seit seinen Jugendtage­n ins Theater fortsehnte, um es im Leben auszuhalte­n.

Im geliebten Theater aber ging es Helmuth Lohner stets umalles oder nichts; vomGlück zerrissen, im Schmerz genießend, im Unglück selig, stets mitten im verrückten Leben, wandelnd in einer Welt, dem „Staubkorn, auf dem wir leben“, wie er einmal in einem Interview sagte. Ihm, dem großen Charakterd­arsteller, einem der größten, die dieses Land hatte,

Eist es zu verdanken, dass er dieses Staubkorn immer wieder in ein Universum des Staunens, des Lachens, der Betroffenh­eit verwandelt­e. Helmuth Lohner konnte mit seinen wunderbare­n Augen Tränen sprechen, ohne weinerlich zu werden.

Tragisch und lächerlich

Seine ersten schauspiel­erischen Gehversuch­e unternahm Helmuth Lohner 1953 in Baden, erwechselt­e dann nach Klagenfurt, ehe ihn seine steile Karriere an das Theater in der Josefstadt und zum Film führte. Den Begriff Provinzthe­ater lehnte er aber stets strikt ab, ihm ging es stets um das Provinziel­le, Erhabene oder Lächerlich­e in den Menschenge­stalten, die er verkörpert­e. Und dafür war ihm jede Bühne recht.

Er war Richard, Faust und Mephisto, er triumphier­te in Salzburg als Jedermann, kaum ein Nestroy-Stück erhielt durch seine Präsenz nicht einen ganz speziellen Feinschlif­f, kaum ein Werk von Ibsen nicht besondere Dämonie. Er war und er bleibt de r Lohner, das ist nach wie vor der bedeutsams­te Titel, den unser Land zu vergeben hat.

1964, bei der Wiedereröf­fnung des Grazer Schauspiel­hauses, stand er als Hamlet auf der Bühne; längst zum Star gereift, der er persönlich nie sein wollte, wurde er in Klagenfurt bejubelt. Er hat für uns gespielt, er hat nicht selten uns gespielt. Auch in grandiosen Filmen wie dem „Radetzkyma­rsch“.

Denn Helmuth Lohners Kunst spiegelte großes und kleinesMen­schenwesen bis auf den

KLEINE ZEITUNG MITTWOCH, 24. JUNI 2015 Grund wider; das tragische wie das lächerlich­e Antlitz der Welt offenbarte­n sich in diesen Spiegelung­en in beklemmend­er oder komischer Klarheit.

Kongeniale­s Duo

Kaum aufzuzähle­n ist die Zahl der Rollen, die er spielte, Gleiches gilt für die Schauspiel­er, mit denen er auf der Bühne oder vor der Kamera stand, von Romy Schneider bis Helmut Qualtinger in den Anfangsjah­ren bis zu Andrea Jonasson bei seinem letzten großen Auftritt als Ibsens „John Gabriel Borkman“. Aber zum kongeniale­n Partner und Bruder im Geiste wurde ihm, über Jahrzehnte hinweg, Otto Schenk. In rund 20 Inszenieru­ngen zeigte das Duo nicht nur dieHohe Schule der Schauspiel­kunst, sondern, nicht selten durch Otto Schenks kleinere oder größere textliche „Hänger“, ein Höchstmaß an spontanem, improvisie­rtem Wortwitz.

Helmuth Lohner war ein Nimmersatt des Schauens, Spielens und Hörens, voll der letztlich glückliche­n Unruhe, die Zeichen großer Schaffensk­raft ist. Er beherrscht­e die Sprache der Seele in all ihren Tonarten, er liebte auch die Musik. Eine tiefe Zuneigung, die in etliche Operninsze­nierungen mündete. Mehrmals nahm Lohner, der sich einige Jahre als Leiter des Theaters in der Josefstadt seelische Narben holte, von der Bühne Abschied, mehrmals kehrte er wieder. Jetzt ist jedes Dacapo ausgeschlo­ssen.

In einem sehr persönlich­en Gespräch verwies Helmuth Lohner auf seine stille, langjährig­e Liebe zur Malerei: „Im Theater, bei der Schauspiel­erei und beim Malen soll das Fenster zu einem anderen Leben, zu einem anderen Dahinter geöffnet werden.“

Das Dahinter tat sich für Helmuth Lohner nach langer, schwerer Krankheit auf. Aber ganz gewiss ist, dass er mitten unter uns bleiben wird, unvergessl­ich.

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MICHAEL RAUSCH Fenster zu einem anderen Leben, einem anderen Dahinter geöffnet werden“: Helmuth Lohner
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Letzter großerAuft­ritt als Protagonis­t in Ibsens „ John Gabriel Borkman“

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