Auf Konfrontationskurs.
Ungarn setzt Dublin-Abkommen aus und nimmt keine Flüchtlinge mehr zurück. Die EU fordert Aufklärung.
BUDAPEST. Ungarns nationalkonservativer Ministerpräsident Viktor Orbán ist mit der EU schon länger übers Kreuz. Nun gießt er auch noch in der europaweit stark diskutierten Flüchtlingsfrage Öl ins Feuer. Wie „Die Presse“in ihrer heutigen Ausgabe berichtet, hat Budapest nun das Dublin-IIIAbkommen, das die Zuständigkeit im europäischen Asylwesen regelt, einseitig ausgesetzt.
Damit kann nicht mehr ins Nachbarland abgeschoben werden, auch wenn die Zuständigkeit für einen Fall bei Ungarn läge. Und die von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner praktizierten Abschiebungen von Flüchtlingen in Richtung Ungarn kommen zum Erliegen. „Wir müssen die ungarischen Interessen wahren und unsere Bevölkerung schützen“, sagte Orbáns Regierungssprecher. Ungarn verfüge über Kapazitäten für 2500 Flüchtlinge, davon seien schon 3000 untergebracht. „Das Boot ist voll.“
Im Innenministerium in Wien ist man irritiert. Für Österreich kommtUngarns Schritt überraschend. Erst am Montag war Orbán als Gratulant bei der von der ÖVP ausgerichteten Feier zum 70. Geburtstag von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel in Wien aufgetreten. Wie elf andere Länder wurde Österreich von Budapest über die Entscheidung, Dublin aus „technischen Gründen“zu suspendieren, knapp in Kenntnis gesetzt.
Innenministerin Mikl-Leitner betonte:„Werweiter ein Europa ohne Grenzen will, muss die Schengen-Regeln einhalten. Das heißt, an der Dublin-Regel festzuhalten.“Doch Österreich sei bereit, Ungarn in dieser schwierigen Situation zu helfen: „Wir unterstützen Ungarn mit 40 Polizisten an der ungarischserbischen Grenze.“Aber so sei eine Hilfe keine Einbahnregel.
Das Dublin-Abkommen regelt, dass Verfahren für Flüchtlinge in dem Land vorzunehmen sind, über das sie in die EU gelangt sind. Die EU-Kommission fordert vonUngarn nun Aufklärung. Ein solcher Schritt sei in den gemeinsamen Asyl-Regeln der EU nicht vorgesehen, hieß es laut der Nachrichtenagentur Reuters harsch von der Brüsseler Behörde.