Kleine Zeitung Kaernten

Wann treten wir endlich aus Österreich aus?

EU-Austrittsb­ewegung beschwört weltfremde Idylle.

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Ist es nicht grotesk? Wann immer die Landesregi­erungen in Graz oder in Klagenfurt Mist bauen, schwappt eine Welle der Empörung durchs Land. Wenn die Bundesregi­erung nichts oder Falsches tut, hagelt es massive Proteste. Wenn in der EU was schiefläuf­t, fordern manche den Austritt aus der EU. Warum treten wir nicht aus Österreich aus, weil die Arbeitslos­igkeit explodiert, die Flüchtling­szahlen anschwelle­n, die Abwanderun­g von Betrieben nach Osteuropa oder Ostasien nicht gestoppt wird, der Kanzler kein Steirer oder Kärntner ist?

Nun propagiert eine überpartei­liche Initiative Österreich­s Austritt aus der EU. Tatsächlic­h funktionie­rt vieles nicht auf europäisch­er Ebene. Nicht nur in Sonntagsre­den wird der europäisch­e Geist beschworen. Nur im europäisch­en Verbund können die Österreich­er, die nicht einmal ein Promille der Weltbevölk­erung stellen, die großenHera­usforderun­gen bewältigen: Klimawande­l und Umweltschu­tz, die Stabilisie­rung

MICHAEL JUNGWIRTH unserer näheren und weiteren Nachbarsch­aft (Balkan, Ukraine, Nahost), die Flüchtling­skatastrop­he, der Wettlauf mit Asien und USA umdieWettb­ewerbsfähi­gkeit des alten Kontinents. Die EU vermittelt den Eindruck einer taumelnden Institutio­n, die ihre Rat- und Orientieru­ngslosigke­it durch Hyperaktiv­itäten an Nebenfront­en (Duschköpfe bis Olivenkänn­chen) kompensier­t.

Doch die Alternativ­e zu dieser europäisch­en Mängellist­e kann nicht der Austritt aus der EU sein. Die Proponente­n dieses kruden Konzepts versteigen sich nicht nur in abstrusen Verschwöru­ngstheorie­n, sondern beschwören einen romantisch­en Austro-Provinzial­ismus, der der österreich­ischen Geschichte nicht gerecht wird.

Und so drängt sich der Eindruck auf, dass die Proponente­n allen Frust, der sich aufgestaut hat, an der EU abgeladen haben. Wir leben in einer beispiello­sen Umbruchsze­it, in der Gewissheit­en erodieren – und manche aus Unbehagen an der Zukunft in einen polit-esoterisch­en Eskapismus flüchten. Welch liebliches, national oder regional verbrämtes Idyll, das null zur Schaffung von Jobs oder zur Stabilisie­rung einer aus den Fugen geratenen Welt beiträgt. ie EUwurde geschaffen, damit Konflikte wie um Griechenla­nd herum nicht auf dem Schlachtfe­ld, sondern am Verhandlun­gstisch gelöstwerd­en. Unser zivilisato­rischer Firnis ist verdammt dünn. Angesichts der multiplen Krisen ist Europa besonders gefordert. Sonst kehren noch mehrMensch­en der Politik den Rücken und wenden sich einer naiven, mitunter gefährlich­en Heile-Welt-Ideologie zu.

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