Das neue Leben der Griechen VON UNSEREM MITARBEITER
In Griechenland wird das Bargeld knapp. Der Schock sitzt tief, kaum jemand hat sich das ausmalen können. Das Restgeld landet nun in Hamsterkäufen.
Es ist kurz vor neun Uhr auf dem Athener Fleisch- und Fischmarkt. Rasch wird klar: Es ist ein merkwürdiger Montagmorgen, der letzte in diesem ungewöhnlich wechselhaften Juni auf der Peloponnes. Die Fleischverkäufer in ihren weißen Arbeitskitteln, sie sind nicht so laut wie sonst. Ohne Umschweife erklären sie das Warum. Es sei halt wenig los, derUmsatz sei mitAch und Krach etwa halb so hoch wie sonst, sagen sie unisono an ihren üppig bestückten Ständen.
Schon früh auf den Beinen ist auch die Familie Tsironis. Papa Tironis ist Präsident der Fleischhändler des Zentralmarktes. Tochter Popi, klein, vollschlank, blondiertes Haar, hilft in dem Geschäft, so wie jedenMorgen. Popi hat Tränen in den Augen. Schluchzend sagt sie: „Das ist ein schlimmer Tag für Griechenland. Ich hätte nie gedacht, dass alles so weit kommen könnte.“
Es ist der erste Tag, an dem im krisengeschüttelten Hellas Kapitalkontrollen gelten. Erst am Vorabend wurden sie von der Regierung beschlossen. Sie hatte keine andere Wahl. Zu groß waren seit Freitagabend die Geldabflüsse gewesen, als Regierungschef Alexis FERRY BATZOGLU, ATHEN Tsipras völlig unerwartet ein Referendum schon für den kommenden Sonntag ankündigte. Die ominöse Frage lautet: „Soll Griechenland die von seinen öffentlichen Gläubigern EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds am 25. Juni präsentierte Spar- und Reformliste annehmen oder nicht?“Falls ja, stellen die Gläubiger im Gegenzug 18,2 Milliarden Euro aus dem heute auslaufenden Hilfsprogramm in Aussicht. Die Gelder liegen bis dato auf Eis – daher steht das ewige Euro-Sorgenland vor dem Staatsbankrott.
Für Papa Tsironis ist die wirkliche Frage vielmehr: „Bleibt Griechenland im Euro oder nicht?“Für die Familie wäre eine Rückkehr zur Weichwährung Drachme ein Desaster. Denn das Fleisch, das sie hier verkauft, ist Importware. Und nicht nur bei den Tsironis. Ob Schweine-, Rind- oder Kalbsfleisch: 75 Prozent des Fleisches wird nach Griechenland eingeführt.
„In ein paar Tagen werden wir hier schließen. Wir können nicht importieren, weil unsere Lieferanten ihr Geld nun sofort haben wollen. Wie sollen wir aber bezahlen? Die Banken sind doch seit heute zu.“Popi Tsironis seufzt wieder, als sie das sagt.
Was hierzulande in diesen Tagen faktisch gilt: Die Griechen führen ein Leben ohne Banken. Auch für Alexandros Moraitakis ist dies nur eines: einUnding. Der Gründer und Chef der Firma „Nuntius“, einem der größten Börsenmakler in Griechenland, steht im 7. Stock eines Gebäudes am Klafthmonos-Platz, dem „Platz der weinenden Beamten“. An dieser Stelle beklagten sich bis Anfang des 20. Jahrhunderts hellenische Beamte nach einem