PORTRÄT DES TAGES Die Verklärung der Drachme
Griechische Währungwurde 2002 vom Euro abgelöst. Kommt sie wieder?
Was vor ein paar Monaten noch wie ein schlechter Scherz klang, gewinnt angesichts der Staatskrise in Griechenland täglich mehr Anhänger: die Abkehr vom Euro und damit die Rückkehr zur Drachme, die bis 2002 offizielles Zahlungsmittel war.
Zwar sagt sogar der skurrile Finanzminister Yanis Varoufakis, die Einführung der Drachme würde Griechenland „in die Steinzeit zurückwerfen“, aber immerhin ein Drittel der Hellenen kann sich angesichts der Pleite des Landes dieWiedereinführung der alten Währung gut vorstellen. Erstaunlich. Denn stabil und halbwegs hart war die Drachme der Neuzeit – im Gegensatz zu ihrem antiken Namensgeber – eigentlich nie.
Eingeführt wurde sie 1831, drei Jahre nach der Erkämpfung der Unabhängigkeit Griechenlands vom Osmanischen Reich. Unter-
Ab dem 6. vorchristlichen Jahrhundert Gewichtsund Münzeinheit, meist aus Silber, in der hellenischenWelt
Von 1831 bis 2002 griechische Währung. 1954 bis 1973 an den US-Dollar gekoppelt, seit 2001 an den Euro im Verhältnis 340,75 GDR : 1 Euro
Antike:
Neuzeit:
einheit war das Lepto. Hundert Lepta ergaben eine Drachme. Die Bezeichnung Lepto haben die Griechen 2002 für den Eurocent übernommen und auch auf die Rückseite der griechischen Euromünzen geprägt. Im 20. Jahrhundert wurde diese erste Drachme zweimal abgewertet: 1944 imVerhältnis 50 Milliarden : 1, nur zehn Jahre später im Verhältnis 1000 : 1 und danach bis 1973 fest an den US-Dollar gekoppelt.
Nicht besonders beliebt und auch kaum im Umlauf waren seit jeher die 1- und 2-DrachmenMünzen, wie später auch die 1und 2-Eurocent-Münzen. Dennoch wurden beide offiziell nie aus dem Verkehr gezogen.
Die nostalgische Verklärung vor allem älterer Griechen für die Drachme – ein derartiges Phänomen gibt es ja auch beiMenschen in anderen Euro-Ländern wie Österreich – ändert nichts daran, dass eine Abkehr vom Euro zum wirtschaftlichen Desaster wäre; ganz abgesehen davon, dass eine Rückkehr zur Drachme rein logistisch viel Zeit bräuchte. Experten rechnen, dass es mindestens ein bis eineinhalb Jahre dauert, eine Währung ganz neu aufzusetzen. Allein der Druckprozess wäre nicht unter sechs Monaten zu schaffen.
Mit Drachmen werden daher auch jene Griechen, die sich nach der dubiosen „guten alten Zeit“sehnen, nicht so bald zahlen können. ERNST HEINRICH