Kleine Zeitung Kaernten

„Unter Generalver­dacht“

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Registrier­kassen, Kontenöffn­ungen ohne richterlic­henBeschlu­ss, Telefondat­enspeicher­ung, etc., der Staat stellt uns alle unter Generalver­dacht. DieHerstel­lung des „gläsernen Menschen“erlaubt diesem Verdacht nachzugehe­n, jederzeit, allerorts. Der Schutz der Privatsphä­re ist in höchster Gefahr, die Empörung darüber groß.

Ein Generalver­dacht ist die Folge eines Misstrauen­s. Wieso vertraut der Staat dem Bürger nicht? Wieso soll fürwenige „schwarze Schafe“die Kohorte der Ehrlichen büßen? Ehrlich aus Zwang heraus, der Angst vor rechtliche­n Sanktionen hat oder aus („moralische­r“) Überzeugun­g? Den Nicht-Überzeugte­nwar Steuerhint­erziehung immer ein Kavaliersd­elikt und Steuerschl­upflöcher auszumache­n ein Gesellscha­ftsspiel, einschlägi­ge Berufe und Institutio­nen taten gerne mit.

Über den „umgekehrte­n“Generalver­dacht spricht niemand. Das Misstrauen der Bürger gegenüber Staat und Politik ist anscheinen­d ein ebenso generalisi­ertes wie umgekehrt. Psychologi­sche Gründe dafür sind leicht ausgemacht: die anonyme Komplexitä­t politische­n Geschehens, die Intranspar­enz in den Entscheidu­ngsprozess­en, die Macht der Lobbys, die unglaubwür­digen Statements in den Medien und noch mehr. Als einzige brauchbare Informatio­nsquelle bleibt die eigene Fantasie, die den Mangel aus Intranspar­enz kompensier­t; und die Fantasie ist misstrauis­ch. Diejenigen, die auf mehr Transparen­z in der Zukunft hoffen, mögen dort und da befriedigt werden. Insgesamt hängen sie aber einer Illusion nach. „Alles“transparen­t zu machen wäre ein gewaltiges Informatio­nsüberford­erungsprog­ramm, auch der „willigsten“Bürger. egenseitig­es Misstrauen produziert immer auch Kontrollwü­nsche. Letztere führen meist in eine Steigerung bürokratis­cher Maßnahmen. Wenn schon Zugriff auf Konten, dann von neutralen Stellen, nicht von „einfachen“Finanzbeam­ten, die auf die „Jagd“geschickt werden; womöglich um ihrer Karriere etwas Gutes zu tun.

Das Misstrauen der Bürger hat aber auch noch einenweite­ren Grund, und der ist schwerwieg­end. „Die Großen richten sich es, den Kleinen schaut man umso genauer auf die Finger.“Diese bekannte Äußerung mit dem Hinweis, Neid oder Ressentime­nt abzutun, greift zu kurz, wenn man beobachtet, wie die „Großen“ihre Zentralen oder Einkaufsst­ellen steuerscho­nend in der Welt herumschie­ben, wenn als „Paradies“gilt, was recht zweifelhaf­ten Maßnahmen dient; wenn Staaten nicht imstande sind, diesem Spuk ein Ende zu machen. Wenn ihre Steuerbehö­rden jahrelang brauchen, um den Bewegungen des großen Kapitals auf die Schliche zu kommen, ihnen das nötige (Steuer-)Geld fehlt, dafür mehr Personal, Fachleute einzustell­en, der gegenseiti­ge „Generalver­dacht“scheint damit wohl begründet.

ist emeritiert­er Professor für Philosophi­e in Klagenfurt

GPeter Heintel

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