„Ein Grexit wäre leicht verkraftbar“
Finanzminister Hans Jörg Schelling will mit Athen auch nach einem Referendums-Nein verhandeln.
Wenn beim griechischen Referendum morgen ein Nein herauskommt. Ist die Tür dann endgültig zu?
Es wird immer eine Möglichkeit geben. Aber es wird schwieriger. Das große Handicap ist, dass es täglich neueMeinungen ausAthen gibt. Dabei waren wir schon nahe an einer Einigung. Unser großes Problem ist die komplett gestörte Vertrauensbasis zwischen Griechenland und den anderen Euro-Ländern. Es gibt viele Länder – vor allem jene, die selbst weniger Geld zur Verfügung haben –, die sagen: Wir haben keine Lust mehr. Aber ich glaube, dass wir noch zu einer Verhandlungslösung kommen werden.
Eine Verhandlungslösung auch mit der Regierung Tsipras?
Ja. Wenn aber eine Regierung – wohlgemerkt eine linkeRegierung – bei jährlichen Militärausgaben von vier Milliarden Euro mit uns darüber diskutiert, ob dabei 200 oder 400 Millionen eingespart werden sollen, halte ich das für seltsam. Eines muss zudem klar sein: Ein weiteres Hilfsprogramm muss neu gestartet werden. Das alte ist tot. Ein neues Programm kostet allerdings Zeit. Außerdem kann es keinen Kredit ohne Bedingungen geben.
Kritiker werfen der EuroGruppe vor, nicht auf Athens Vorschläge eingegangen zu sein.
HANS JÖRG SCHELLING:
SCHELLING:
Wir haben imFebruar eine Flexibilisierung des Programms beschlossen. Demnach durfte Griechenland alternative Vorschläge machen, die im Ausmaß gleichwertig sind. Also beispielsweise statt einer Anhebung der Einkommensteuer eine Anhebung der Mehrwertsteuer. Bis Mitte Juni kamaber kein einzigerVorschlag. Und deshalb haben die Institutionen einen Vorschlag erstellt. Bei den Verhandlungen darüber sind die Griechen plötzlich aufgestanden und gegangen. Weil sie einen Anruf aus Athen bekommen haben, dass nicht mehr verhandelt wird, sondern es ein Referendum gibt.
Aber es wird in jedem Fall weiter Zahlungen für Griechenland geben müssen, und sei es in Form humanitärer Hilfe.
Hier ist ein Propagandakrieg im Gange. Dass alle Griechen auf der Straße leben müssen oder keinen Zugang zur Krankenversorgung haben, ist überzogen. Aber irgendeine Art humanitärer Unterstützung wird es geben müssen. Das ist aber etwas anderes als Staatshilfe. Und ob es Letztere geben wird, hängt vom Ausgang des Referendums ab.
Ist der Grexit für Sie noch ein Horrorszenario?
Aus finanzwirtschaftlicher Sicht nicht. Die Finanzmärkte bleiben auch jetzt sehr ruhig. Für Europa wäre das ökonomisch leicht verkraftbar.
SCHELLING:
SCHELLING:
SCHELLING:
Für Griechenland wäre es wesentlich dramatischer, weil die Staatsschulden von 200 auf 400 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen könnten. Negative Implikationen würde es aus politischer Sicht für das Projekt Europa geben. Es gibt aus gutem Grund keine Möglichkeit eines Euro-Austritts. Man hätte wahrscheinlich den Sonderfall der Staatsinsolvenz regeln sollen.
Ist die größte Gefahr des Streits nicht, dass die EU-Gegner in ganz Europa gestärkt werden?
Wir hatten hierzulande gerade ein Volksbegehren über den EU-Austritt, das 240.000 Menschen unterschrieben haben. Bei acht Millionen Einwohnern macht mir das keine Sorgen. Auch in Griechen-
SCHELLING: