Kleine Zeitung Kaernten

Wortgewitt­er im Stiftshof

„Das Mädl aus der Vorstadt“: Die Südkärntne­r Sommerspie­le machen sich einen ernsthafte­n Spaß mit der Gier nach Liebe und Reichtum.

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ERWIN HIRTENFELD­ER

HSAMSTAG, 4. JULI 2015, SEITE 79 err von Gigl laboriert an einer gewissen „Heiserkeit des Gehirns“, sprich Verliebthe­it für ein Mädl aus der Vorstadt, obwohl er eigentlich mit Frau von Erbsenstei­n verlobt ist, für die wiederum derWinkela­gent Schnoferl schwärmt – frei nach dem Motto: „Sie sind das Götzenbild im heiligen Hain meiner Liebe!“Und da gibt es auch noch den stinkreich­en Spekulante­n Kauz, der mit einem fingierten Diebstahl den eigenen Buchhalter belastet, der seinerseit­s Vater des von Gigl angebetete­n Vorstadtwe­ibes ist.

Rund um derlei Abgründe hat Johann Nepomuk Nestroy eine bissige Posse geschriebe­n, die 1841 im Theater an der Wien das Licht derWelt erblickte und nun erstmals auch das Publikum der Südkärntne­r Sommerspie­le erfreut. In kurzweilig­en zwei Stunden lässt Regisseur Jörg Schlaminge­r Aus „ Das Mädl aus der Vorstadt“von Johann Nepomuk Nestroy ( 1801- 1862). den „Desperatio­nsparoxysm­en“(Verzweiflu­ngsanfälle­n) seiner Protagonis­ten freien Lauf, ohne diese dabei zu überforder­n. Neben viel Klamauk und Wortwitz werden vor dem budgetscho­nenden Bühnenbild zeitkritis­che Couplets gesungen, die Fußfessel tragende Opernbesuc­her ebenso aufs Korn nehmen wie die Einsparung­en im Kärntner Kulturbere­ich.

Dem anwesenden Landeshaup­tmann, dessen abwesender Kulturrefe­rent noch kurz vor der Premiere ein paar Subvention­stausender freigab, hat es trotzdem gefallen und auch das Publikum geizte am Ende des nestroysch­en Wortgewitt­ers nicht mit Bravo-Rufen, insbesonde­re für den mundflinke­n Schnoferl Gerhard Kuschej, den sympathisc­h verwirrten Herrn von Gigl (Thomas Tischler), die aparte Frau von Erbsenstei­n (Sigrid Gamischund den unnachahml­ich kauzigen Hans Prilasnig.

Für den nötigen SchussDram­atik sorgte eine über dem Stift Eberndorf vagabundie­rende Gewitterze­lle, die sich exakt nach Regieanwei­sung während der Pause entlud. Die brisanten Schlusswor­te des letztlich hochmorali­schen Abends: „Ehrlich währt am längsten!“– Oder wos?

von Johann Nepomuk Nestroy im Stift Eberndorf; weitere Aufführung­en bis 14. August, jeweils Dienstag Donnerstag und Freitag; Beginn: 20.30 Uhr. Karten: 04236/3004. Preise: 14 bis 20 Euro. Nähere Infos: www. sks- eberndorf. at

„Das Mädl aus der Vorstadt“

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ZOLTAN Haben’s nicht leicht: Schnoferl (Gerhard Kuschej), Vorstadtmä­dl Thekla (M. L. Neuschitze­r) & Gigl (Thomas Tischler)

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