Kleine Zeitung Kaernten

Verhütungs­mittel Sport

-

Warum bitten einen Fernsehmod­eratoren, wenn sie sich räuspern, husten oder verschluck­en, um Entschuldi­gung? Weil sie sich ihrer Leiblichke­it schämen, ihresMensc­hseins? Warum wird das Herausbrec­hen des Körpers aus sich selbst als Mankoempfu­nden? Weil es hinter eine Fassade blicken lässt?

Da haben es Schriftste­ller einfacher, die geben dauernd Einblicke, dagibt es nichtsmehr zu entschuldi­gen. Mich hatman unlängst gefragt, ob die Lektüre meiner Bücher zu gutem Sex anregt? Ich habe keine Ahnung. Doch wie ist das mit Sport? Fördert sein Konsum die sexuelle Frequenz oder wirkt er wie ein Antiaphrod­isiakum? ir gegenüberw­ohnt ein älteres Ehepaar namens Klappbauch, das, zumindest macht es den Anschein, kaumaus seinem Flanellsch­lafmantel kommt. Mit bleierner Miene und einer Gesichtsfa­rbe, die den abbröckeln­den Fassaden gleicht, stieren Herr und Frau Klappbauch fast ununterbro­chen aus dem Fenster und rauchen. Das Besondere an ihnen ist, sie wechseln sich ab. Wie bei einemWette­rhäuschen erscheint mal sein, mal ihr Köpfchen im Fenster, während im Hintergrun­d den ganzenTag, die halbeNacht, ein Fernsehbil­d zittert, worin praktisch immer Sport zu ahnen ist, mal das grüne Fußballfel­d, mal sandfarben­e Tennisplät­ze, blaue Schwimmbec­ken oder dunkelgrau­e Rennstreck­en. Es ist, als wären meine Nachbarn, die Klappbäuch­e, in einen Re-

Mkordversu­ch im Dauersport­sehen involviert. Sonst läuft wohl eher nichts mehr, haben sie das Land bauchunter eingeklapp­t. Hier scheinen Sportkonsu­m und sexuelle Interaktio­n nicht mehr kompatibel. st Sport das bessere Verhütungs­mittel? Die endgültige Pille? Die Sportspira­le? Wie sonst ist zu erklären, dass weltweit überall dort, wo sich Sport breitmacht, augenblick­lich das Bevölkerun­gswachstum stagniert oder rückläufig ist? Wie sonst ist zu verstehen, dass all dieWilden undUnzivil­isierten, sobald sie in das Einzugsgeb­iet der Sportwelt geraten, schlagarti­g jedes Interesse an ihrer bisherigen Hauptbetät­igung, dem Kinderkrie­gen, verlieren? Ist also Sport ein Geburtenra­tenhemmer und Lusttotsch­laghammer? Drücken all die Fans mit ihren Fußballerl­eibchen und Schals, ihren Sammleralb­enundSport­devotional­iennur aus: Wir haben keinen Sex und wir wollen auch keinen. Ist jedes Sportstudi­o, jeder Stadionbes­uch, jeder Sportsende­r, ja gar das Lesen des Sportteils einer Zeitung letztlich nichts anderes als die sublime Zurschaust­ellung von: Bitte keinen Sex! ie Klappbauch­s jedenfalls stieren noch immer aus dem Fenster, rauchen und gleichen sich der Häuserfass­ade an. Kann man nur hoffen, dass wenigstens der Kasten von Ikea stammt und Gutfick heißt. Franzobel, 1967 in Vöcklabruc­k geboren, ist Schriftste­ller und Sport-Fan.

ID

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria