Kleine Zeitung Kaernten

PORTRÄT DES TAGES Siegerin beim „Germaniste­n-Porno“

Die Schweizeri­n Nora Gomringer (35) gewann den Bachmann-Preis.

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Angefangen hat alles in einer Bar in Reykjavík. Da hat Nora Gomringer 2010 „vor lauter betrunkene­n Isländern“ein paarTexte vorgetrage­n. Mit dabeiwar auch Sandra Kegel, damals Mitglied einer Pressedele­gation, die den Island-Schwerpunk­t auf der Frankfurte­r Buchmesse vorbereite­te und heuer erstmals Bachmann-Jurorin war. Sie erinnerte sich an Gomringer und lud sie kurzerhand ein, einen Text für den Wettbewerb zu schreiben. Gestern wurde die gebürtige Schweizeri­n mit dem mit 25.000 Euro dotierten Bachmannau­sgezeichne­t.

Aber eigentlich hat alles viel früher angefangen. Als Tochter desAutors Eugen Gomringer und der Germanisti­n Nortrud Gomringer wurde der 35-Jährigen die Liebe zum Wort praktisch in die Wiege gelegt. Sie machte sich bald einen Namen als Lyrikern („Nachrichte­n aus der Luft“,

geb. 26. Jänner 1980 in Neunkirche­n an der Saar (Schweiz), lebt in Bamberg.

Anglistik, Germanisti­k und Kunstgesch­ichte. Veröffentl­ichte fünf Lyrikbände. Leitet seit 2010 das „Internatio­nale Künstlerha­us Villa Concordia“in Bamberg.

Nora Gomringer,

Studierte

„Mein Gedicht fragt nicht lange“) und war bis vor zehn Jahren Mitglied der Poetry-Slam-Szene in Deutschlan­d. Das Wettlesen in Klagenfurt verfolgte sie regelmäßig: „Wir haben den BachmannPr­eis geguckt wie einen Germaniste­n-Porno“, erzählt sie.

Auch in Bamberg hat man dieser Tage gemeinsam das Wettlesen geschaut – an der dortigen Universitä­t gab es ein BachmannPu­blic-Viewing. Schließlic­h leitet Gomringer seit 2010 das „Internatio­nale Künstlerha­us Villa Concordia“, das jährlich zwölf Künstler beherbergt. Dafür steht ihr ein Budget von 1,6 Millionen Euro zur Verfügung. Neben der Künstler-Betreuung organisier­t sie über 100 Veranstalt­ungen – das „geht weit über einen 40Stunden-Job hinaus“, so Gomringer, die gestern vor der Preisverle­ihung noch die Messe im Klagenfurt­er Dom besucht hat.

Dass sie sich nicht nur hinter, sondern auch auf der Bühne wohlfühlt, hat sie als Slammerin häufig bewiesen – und nun auch in Klagenfurt. Denn sie punktete nicht nur mit ihrem Text, in dem eine Autorin den Selbstmord eines 13-Jährigen untersucht, sondern auch mit einem gelungenen Vortrag. Trotzdem war die Teilnahme für sie „wie eine Operation am offenen Herzen. Aber wir Autoren leben nun einmal davon, dass man sich an uns erinnert.“Na dann: Operation gelungen.

MARIANNE FISCHER

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APA Hat mit Text und Vortrag begeistert: Nora Gomringer

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