Größe, Innigkeit und tiefe Spiritualität
Eine Sternstunde mit Nikolaus Harnoncourt.
DenWeg zum Pult kann er nur mit zwei Krücken bewältigen. Dort angekommen, dirigiert Nikolaus Harnoncourt aber den gesamten Abend stehend – auf den bereitstehenden Hocker setzt er sich nur in den kurzen Verschnaufpausen zwischen den einzelnen Messteilen. Fällt Harnoncourt auch das Gehen schwer, so verfügt er doch ungebrochen über die Kraft, Solisten, Chor und Orchester in seinen Bann zu schlagen und sie zu Höchstleistungen zu motivieren: Mit der ersten der drei Aufführungen von Ludwig van Beethovens „Missa solemnis“bescherte er der „styriarte“eine Sternstunde.
Erstmals hat er die „Missa solemnis“mit historischen Instrumenten aufgeführt – und dafür seinen Concentus Musicus mit nur 48 Mitgliedern sehr klein besetzt. Die Folge: große Durchhörbarkeit, die den Farbenreichtum der historischen Instrumente und die Modulationskühnheiten zur Geltung bringt. In seiner stimmigen Tempodramaturgie gelingt Harnoncourt eine äußerst konzentrierte und ungemein stringente Interpretation. Seine Darstellung glüht vor Intensität, besitzt beseelte Innigkeit, aufrüttelnde Dramatik, überwältigende Größe und tiefe Spiritualität.
Ohne jede Solisteneitelkeit fügt sich das wunderbar harmonierende Vokalquartett Laura Aikin, Bernarda Fink, Johannes Chum und Ruben Drole in das Konzept. Und der phänomenale Arnold Schoenberg Chor beweist faszinierend, dass die „Missa solemnis“kein Brüllstück sein muss. ENR Missa solemnis. 6. Juli, 20 Uhr, Stephaniensaal Graz. Restkarten: Tel. ( 0316) 825 000 sowie 22. Juli, 20 Uhr, Großes Festspielhaus Salzburg. Restkarten: Tel. ( 06 62) 80 45 500. Im Radio: 19. Juli, 11.03 Uhr, Ö 1
GRAZ.