Union der Furchtsamen: Europa gibt es nicht
Die EU hat eine grauenhafte Selbstvermarktung.
Wenn man die im Zuge der Flüchtlingskrise aufgeflammte Kleinstaaterei der letzten Wochen betrachtet, hegt man Zweifel daran, dass es Europa als solches überhaupt gibt. Von Union keine Spur.
Schuld daran ist die EU, die in den 23 Jahren seit ihrer Gründung ganz Wesentliches verabsäumt hat: Die Idee Europa mit positiven Emotionen aufzuladen. Die Marketingstrategie der Union schwankt zwischen inexistent und grauenhaft.
Das beginnt schon beim sogenannten Wording, bei den offiziellen Bezeichnungen: Was sagen ein „Lissabon-Vertrag“oder ein „Bologna-Prozess“dem einfachen Bürger? Und warum heißt der „SchengenRaum“nicht einfach Freiraum Europa? Das alles ist sprachatmosphärisches Gift und erzeugt den Eindruck, wichtige Entscheidungen würden halt, wenn nicht in Brüssel, irgendwo getroffen, zum Beispiel in einem 4000-Einwohner-Dörfl in Luxemburg. Wie soll da Freude an Europa aufkommen?
Ein weiteres drastisches Beispiel für die Nichtexistenz Europas ist die Ländergrenze in Tarvis. Da rosten auf beiden Seiten die ehemaligen Zollgebäude dahin. Um Bewusstsein zu schaffen, würden zwei Tafeln am Ende beider Länder reichen. Mit den Aufschriften: „Auf Wiedersehen in Europa!“und „Willkommen in Europa!“
Jede durchschnittliche Rockband hat ein besseres Merchandising als Europa. Vermutlich gibt es nicht einmal T-Shirts mit identitätsstiftenden Slogans.
Warum gibt es kein EU-weites Kinderaustauschprogramm, im Rahmen dessen junge Europäer schon früh miteinander vertraut gemacht werden?
Und: Kulinarische Wandermärkte, in denen Spezialitäten einzelner Länder als „Aromen Europas“unter die Leute gebracht werden, würden dem Image einzelner Staaten vermutlich mehr nützen als alle Hochdiplomatie. Vor allem niederschwellig beliebte Länder gewännen Sympathie dazu.
Zu Zeiten, da die EU noch EWG hieß, gab es eine gleichnamige Fernsehshow, in der Kandidaten aus sieben Ländern miteinander spielten. Heute gibt es nichts Vergleichbares. uropa ist weder sexy noch lieb noch respekteinflößend. Dem wunderbaren Kontinent fehlt ein emotioneller Überbau, den die Bürokraten in Brüssel völlig ignorieren. Hätte Red Bull seinen Saft so verkauft, würde Dietrich Mateschitz heute ein Standlbesitzer sein.
Was in Europa in diesen Tagen zusammenhält, ist Angst, sonst nichts. Eine Union der Furchtsamen hat aber keine Zukunft. Denn wenn die äußere Bedrohung schwindet, beginnt der Zerfall von innen.
ESie erreichen den Autor unter