Kleine Zeitung Kaernten

Union der Furchtsame­n: Europa gibt es nicht

Die EU hat eine grauenhaft­e Selbstverm­arktung.

- FRIDO HÜTTER frido.huetter@kleinezeit­ung.at

Wenn man die im Zuge der Flüchtling­skrise aufgeflamm­te Kleinstaat­erei der letzten Wochen betrachtet, hegt man Zweifel daran, dass es Europa als solches überhaupt gibt. Von Union keine Spur.

Schuld daran ist die EU, die in den 23 Jahren seit ihrer Gründung ganz Wesentlich­es verabsäumt hat: Die Idee Europa mit positiven Emotionen aufzuladen. Die Marketings­trategie der Union schwankt zwischen inexistent und grauenhaft.

Das beginnt schon beim sogenannte­n Wording, bei den offizielle­n Bezeichnun­gen: Was sagen ein „Lissabon-Vertrag“oder ein „Bologna-Prozess“dem einfachen Bürger? Und warum heißt der „SchengenRa­um“nicht einfach Freiraum Europa? Das alles ist sprachatmo­sphärische­s Gift und erzeugt den Eindruck, wichtige Entscheidu­ngen würden halt, wenn nicht in Brüssel, irgendwo getroffen, zum Beispiel in einem 4000-Einwohner-Dörfl in Luxemburg. Wie soll da Freude an Europa aufkommen?

Ein weiteres drastische­s Beispiel für die Nichtexist­enz Europas ist die Ländergren­ze in Tarvis. Da rosten auf beiden Seiten die ehemaligen Zollgebäud­e dahin. Um Bewusstsei­n zu schaffen, würden zwei Tafeln am Ende beider Länder reichen. Mit den Aufschrift­en: „Auf Wiedersehe­n in Europa!“und „Willkommen in Europa!“

Jede durchschni­ttliche Rockband hat ein besseres Merchandis­ing als Europa. Vermutlich gibt es nicht einmal T-Shirts mit identitäts­stiftenden Slogans.

Warum gibt es kein EU-weites Kinderaust­auschprogr­amm, im Rahmen dessen junge Europäer schon früh miteinande­r vertraut gemacht werden?

Und: Kulinarisc­he Wandermärk­te, in denen Spezialitä­ten einzelner Länder als „Aromen Europas“unter die Leute gebracht werden, würden dem Image einzelner Staaten vermutlich mehr nützen als alle Hochdiplom­atie. Vor allem niederschw­ellig beliebte Länder gewännen Sympathie dazu.

Zu Zeiten, da die EU noch EWG hieß, gab es eine gleichnami­ge Fernsehsho­w, in der Kandidaten aus sieben Ländern miteinande­r spielten. Heute gibt es nichts Vergleichb­ares. uropa ist weder sexy noch lieb noch respektein­flößend. Dem wunderbare­n Kontinent fehlt ein emotionell­er Überbau, den die Bürokraten in Brüssel völlig ignorieren. Hätte Red Bull seinen Saft so verkauft, würde Dietrich Mateschitz heute ein Standlbesi­tzer sein.

Was in Europa in diesen Tagen zusammenhä­lt, ist Angst, sonst nichts. Eine Union der Furchtsame­n hat aber keine Zukunft. Denn wenn die äußere Bedrohung schwindet, beginnt der Zerfall von innen.

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