Die Tragweite der verheerenden Abgaswerte-Manipulation ist noch nicht absehbar. Der größte Skandal in der Geschichte des Automobils könnte sich dennoch als Segen erweisen, wenn die richtigen Konsequenzen gezogen werden.
Es ist gerade einmal drei Wochen her, da war die Welt für den global größten Autobauer noch ziemlich in Ordnung. Der traditionelle Konzernabend der Volkswagen AG vor der Eröffnung der Frankfurter IAA gestaltete sich als übliche Machtdemonstration, mit kühnen Botschaften und einem selbstbewussten Martin Winterkorn, der unmittelbar vor der Verlängerung seines Vorstandsvertrages bis 2018 stand.
Staatsaffäre
Heute ist der Chef weg und das stolze Flaggschiff der deutschen Industrie ein Scherbenhaufen. Die in den USA aufgedeckte Abgaswerte-Manipulation bei Dieselautos hat den größten Skandal in der Geschichte des Automobils ausgelöst und Volkswagen in schwerste Krise seit Bestehen gestürzt. Als ein der Gier nach Größe verfallener Betrüger überführt und gegeißelt, hat das Unternehmen – das ökonomisch und ökologisch Benchmark sein wollte – mit einem kriminellen Trick nicht bloß die eigene Reputation und Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt, sondern zugleich die gesamte Branche unter Generalverdacht gebracht. Und der Betrug strahlt offensichtlich nicht bloß auf die Autoindustrie ab. Schon sieht man das Gütesiegel Made in Germany angekratzt. Eine „Staatsaffäre“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“.
Der Crash ist ein regelrechter Tsunami, dessen Wellen das Fundament von Volkswagen unterspülen und ins Taumeln bringen. An der Börse verlor Volkswagen binnen weniger Tage nach Be- kanntgabe über ein Drittel seines Wertes, zeitweise bis zu 30 Milliarden Euro. Die Aktie sank Mitte dieser Woche auf 95 Euro pro Anteilsschein und damit auf das tiefste Niveau seit vier Jahren. Vor dem Hochkochen der Affäre war das Papier 160 Euro wert gewesen. Die großen Ratingagenturen haben den Daumen über Volkswagen gesenkt. Vor allem aber wird die Konsumententäuschung ein nachhaltig tiefes Loch in die Kasse reißen. Bundesstaaten, Umweltbehörden und Anleger wollen VW vor Gericht zerren, dazu kündigt sich von den Kunden eine Flut von Sammelklagen an. Die drohenden Strafzahlungen und die Schadenersatzforderungen könnten nie gekannte Ausmaße erreichen, schon macht die Befürchtung von einer Gesamtschadenssumdie me von galaktischen 50 Milliarden Euro die Runde.
Vertrauensbruch
Dazu ist nicht absehbar, welche Folgen der Vertrauensbruch für das Geschäft des deutschen Autogiganten haben könnte. Gravierende Einbrüche würden sich fraglos auf zukünftige Entwicklungen auswirken und die Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Dass man sich auf dem Schlüsselmarkt Nordamerika, wo man gerade mit einer Produktoffensive durchstarten wollte, auf eine Vollbremsung gefasst machen darf, ist anzunehmen: Die Weltmarktführerschaft wird sich VW vorerst abschminken können.
Mit Volkswagen steht aber gleichzeitig auch der Diesel am Pranger. Wieder einmal. Speziell in den USA, wo die Akzeptanz im