Kleine Zeitung Kaernten

„Die Welt muss diese Last mit uns teilen“

Jordaniens Botschafte­r Hussam Al Husseini über die schwierige Lage seines Landes, über fehlende Unterstütz­ung durch die Weltgemein­schaft und über seinen Respekt für Österreich.

- KLEINE ZEITUNG SAMSTAG, 3. OKTOBER 2015

Herr Botschafte­r Hussam Al Husseini, Ihr Land beherbergt 1,4 Millionen syrische Flüchtling­e und kennt deren Nöte. Hat Sie die Flüchtling­swelle nach Europa überrascht?

Es ist kein Geheimnis, dass wir vor vielen Dingen gewarnt haben, die jetzt passieren. König Abdullah und die Regierung haben davor gewarnt, keine politische Lösung in Syrien anzustrebe­n. Wir haben lange davor gewarnt, dass das Vakuum in Syrien ein fruchtbare­r Grund für Terrororga­nisationen sein werde. Wir dachten damals an Al Kaida, wir haben nicht an etwas so Monströses gedacht wie den Islamische­n Staat.

Sie haben auch vor Flüchtling­swellen gewarnt?

Ja. Wir brauchen die internatio­nale Gemeinscha­ft, um die Last zu tragen. Leider war die internatio­nale Unterstütz­ung für die Aufnahme dieser Flüchtling­e nie ausreichen­d. Jordanien hat 1,4 Millionen Syrer im Land. 650.000 haben sich vom UNHCR registrier­en lassen.

Wo leben die anderen? Sind sie bei Freunden oder Angehörige­n untergekom­men?

Wir haben fünf Lager in Jordanien. Dort leben etwa 110.000 Flüchtling­e. Der Rest lebt unter der Bevölkerun­g.

HUSSAM AL HUSSEINI:

AL HUSSEINI:

AL HUSSEINI:

Und wie hat die jordanisch­e Bevölkerun­g auf diese Belastung reagiert?

Weil die meisten Menschen ohne Geld kamen, hat die Regierung beschlosse­n, medizinisc­he Versorgung gratis zur Verfügung zu stellen wegen der Gefahr, dass Epidemien ausbrechen. Sie können sich vorstellen, was das bedeutet: Da sitzt ein Jordanier beim Arzt und neben ihm ein syrischer Flüchtling. Der Jordanier muss bezahlen, der Flüchtling nicht. Dasselbe gilt für die Schule. Wir haben 130.000 syrische Kinder gratis aufgenomme­n. Dafür mussten wir wieder den Schichtbet­rieb einführen, den wir 1995 abgeschaff­t hatten. Wir brauchen auch zwei Schichten von Lehrern, die haben wir aber nicht. Und das kostet natürlich auch Geld.

Außerdem kann diese Jahre dauern.

Bisher sind alle Flüchtling­e lange geblieben, 500.000 aus dem Irak, zwei Millionen Palästinen­ser.

Das erwarten Sie nun auch für die Syrer?

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Phase

Ich fürchte, ja. Und wie reagieren die Menschen persönlich? Es gibt ja Neid in jeder Gesellscha­ft.

Bisher haben wir keine solchen Spannungen. Un-

AL HUSSEINI:

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sere Menschen haben Verständni­s für die Leiden der Syrer. Trotzdem ist die Anforderun­g manchmal jenseits unserer Möglichkei­ten.

In welchem Lebensbere­ich ist der Druck am stärksten zu spüren?

Es gibt kaum noch billige Wohnungen und der Arbeitsmar­kt ist überlastet. Syrer sind auf unserem Arbeitsmar­kt gefragt. Und sie dürfen arbeiten?

Ja, was können wir tun unter diesen Umständen? Darunter leiden viele unserer Arbeitnehm­er. Auch die Energiever­sorgung und die Wasservers­orgung sind ein Problem. Wir müssen 95 Prozent aller Energie importiere­n. Wir sind das drittärmst­e Land hinsichtli­ch der Wasserrese­rven. Das bedeutet eine große Last für unsere Regierung. Unser eigener Entwicklun­gsplan für das Land musste verlangsam­t werden.

Bekommen Sie genug Unterstütz­ung von der internatio­nalen Gemeinscha­ft?

AL HUSSEINI:

AL HUSSEINI:

Wir schätzen, dass wir für die syrischen Flüchtling­e nur 28 Prozent dessen, was wir für sie brauchen, von der internatio­nalen Gemeinscha­ft zurückbeko­mmen.

Hat man Ihnen mehr versproche­n?

AL HUSSEINI:

Wir haben nicht einmal Versprechu­ngen bekommen. Das sind die üblichen Beiträge. Dennoch haben wir unsere Grenzen nicht geschlosse­n. Die Situation in Europa wirft vielleicht ein neues Licht auf unsere Lage. Europa hat an die 500 Millionen Einwohner und rechnet mit weniger als einer halben Million Flüchtling­en. Stellen Sie sich die Lage in meinem Land vor, das 6,5 Millionen Einwohner hat.

Wenn Sie Diskussion­en bei uns und auf europäisch­er Ebene verfolgen, was empfinden Sie da?

Wir verstehen Ihre Sorgen. Niemand will viele Flüchtling­e aufnehmen. Aber das ist eine Verantwort­ung, die wir alle miteinande­r teilen sollten. Wenn die Syrer Syrien verlassen,

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Das Flüchtling­slager Zaatari in Jordanien. In dem Land sind 1,4 Millionen Syrer
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