Anwalt der fragwürdigen Methoden
Irgendetwas wird schon dran sein! Diese Mutmaßung ist ein verbreiteter Reflex auf Gerüchte, die bar jeden Wahrheitsgehaltes in Umlauf gebracht werden und unabhängig davon, wie glaubwürdig die Dementis sind. Das mag das Kalkül von FPÖ-Chef Christian Ragger gewesen sein, als er am Donnerstag der Polizei das Verschweigen eines „mysteriösen Todesfalles“im Flüchtlingsmilieu unterstellte. Das Gerücht ist in der Welt, das Unbehagen in der Bevölkerung verstärkt, die parteipolitische Mission erfüllt. Offenbar will Ragger, der als Landesrat besondere Verantwortung trägt, wie seine blauen Parteifreunde in Oberösterreich und Wien von der Asylproblematik profitieren. Oder er lässt sich zu solch zweifelhaften Methoden hinreißen, weil ihm Klubobmann Christian Leyroutz im Nacken sitzt. Als Jurist weiß Ragger, dass seine Vertuschungsunterstellung für ihn keine Folgen hat: Die Polizei wird ein Regierungsmitglied nicht klagen.
Als Rechtsanwalt wird Ragger auch genau gewusst haben, warum er in dem gegen ihn eingeleiteten Untreue-Verfahren eine Diversion angestrengt hat. Eine Diversion ist keine gerichtliche Verurteilung und kein Schuldeingeständnis. Sie erspart dem Betroffenen aber einen Prozess. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt wollte Ragger wegen „versuchter Untreue“vor Gericht stellen. Der Grund war eine Intervention, die Ragger in seiner Zeit als Soziallandesrat für eine Lavanttaler Wohnbaudarlehens-Bezieherin getätigt hatte; aus Sicht der Staatsanwaltschaft eine unzulässige Intervention. Mit Bezahlung einer Geldbuße in nicht bekannter Höhe ist Ragger einer mögli- chen Verurteilung mit allen damit verbundenen Konsequenzen entkommen.
Die diversionelle Erledigung der Causa wurde von anderen Parteien nicht kommentiert. Das ist bemerkenswert. Vor allem SPÖ-Landesgeschäftsführer Daniel Fellner hielt bisher den Freiheitlichen bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Spiegel vor. Andere Fraktionen sehen sich in ihrer Beobachtung bestärkt, wonach es zwischen SPÖ und FPÖ eine Annäherung gibt. Mit Blick auf das Burgenland wird schon über eine rot-blaue Koalition nach Abschaffung des Proporzes und der nächsten Landtagswahl spekuliert.
Die Spekulationen über künftige Konstellationen erhalten Nahrung, weil es im Gebälk der Dreier-Koalition immer lauter knirscht. Ausgetragen werden die Scharmützel von den hinte- ren Reihen, während sich die Regierungsspitzen – Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), Landesrat Christian Benger (ÖVP) und Landesrat Rolf Holub (Grüne) – zurückhalten. Jeder gegen jeden lautet das Motto. Schwarz und Grün wirft Rot Reformverweigerung vor. Rot und Grün orten bei Schwarz reine Klientelpolitik. Rot und Schwarz sehen in Grün Verhinderer von Projekten. Zudem gibt es innerparteiliche „Brösel“in jeder Partei. In der SPÖ ist man sauer auf jene Bürgermeister, die sich nicht um Asylquartiere gekümmert haben. Die Slowenen-Frage in Bezug auf die Verfassungsreform entzweit die ÖVP. Die Grünen haben mit der Klagenfurter Stadtpartei ihre Not. Dabei würde das riesige Hypo/Heta-Problem die Konzentration aller Kräfte benötigen.
Bürgerbeteiligung und strategische Zukunftsplanung stehen im Koalitionsprogramm. Noch ist nicht viel davon zu sehen, obwohl die Landesregierung im April das Strale-2025-Konzept beschlossen hat (Strale steht für strategische Landesplanung). Den 2025-Plan haben 100 Personen aus allen Bereichen monatelang erarbeitet. Wenngleich „alles schon geschrieben war, was für das Land notwendig ist“, sagt Koordinator Peter Fercher. In den Schubladen der Regierung liegen über 40 Konzepte. Nur gab es bisher keine Umsetzungsstruktur. „Wir brauchen eine sektorübergreifende Projektprüfung und Koordination“, fasst Fercher den von ihm geleiteten Strategie-Prozess zusammen. Jetzt wird ein Büro für Zukunftsfragen in der Regierung eingerichtet. Für Fercher ist das ein schöner Abschluss seiner 37 Jahre in der Landesverwaltung, 25 Jahre davon als Leiter der Abteilung Landesplanung.
Wer das Zukunftsbüro leiten wird und was das Strale-2025Konzept beinhaltet, wird Landeshauptmann Kaiser bei einer Tagung am Montag vorstellen.