Kleine Zeitung Kaernten

Keine Zensur.

Übt die Polizei Zensur beim Flüchtling­sThema? PolizeiChe­fin Kohlweiß sagt: Nein!

- INTERVIEW: DANILO REIMÜLLER

Die aktuelle Flüchtling­ssituation sorgt für Unbehagen. Sagt die Polizei der Bevölkerun­g wirklich alles oder werden einige Facetten eher verharmlos­t dargestell­t? MICHAELA KOHLWEISS: Wenn man der Meinung ist, es würde nicht alles gesagt, so kann ich diese Bedenken und Ängste der Bevölkerun­g gut verstehen. Es ist die aktuelle Gesamtsitu­ation, die den Menschen Angst macht und damit verbunden ist auch die Angst vor Nichtinfor­mation. Es gibt aber einen Auftrag und ein klares Bekenntnis der Landespoli­zeidirekti­on zu aktiver, nachvollzi­ehbarer und tatsacheno­rientierte­r Berichters­tattung, die auch per Erlass so vorgegeben ist. Damit meine ich konkret, nichts zu beschönige­n und alle Vorfälle mit Nachrichte­nwert unter Berücksich­tigung der rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen zu berichten.

FPÖ-Landesrat Christian Ragger hat aber das Gegenteil behauptet: Ein ,Todesfall’ in einer Flüchtling­sunterkunf­t in Treffen sei verschwieg­en worden. KOHLWEISS: Im Strafrecht würde man sagen, die Kärntner Polizei hat eindeutig den Wahrheitsb­eweis erbracht. Den angesproch­enen Vorfall hat es nie gegeben. Das hält jeder Überprüfun­g stand! Wer nach wie vor das Gegenteil behauptet, ist aufgeforde­rt, konkrete Fakten zu nennen.

Die Polizei hat in einer zweiseitig­en, öffentlich­en Aussendung den Vorwurf des Landespoli­tikers zurückgewi­esen. KOHLWEISS: Die Landespoli­zeidirekti­on reagiert nur in den seltensten Fällen auf derartige Vorwürfe. Wenn uns allerdings selektive Informatio­nsweiterga­be bzw. indirekt Manipulati­on von Amtshandlu­ngen und Vorfällen vorgeworfe­n wird, dann hat das auch strafrecht­liche Relevanz und wir müssen reagieren.

Nochmals zur Informatio­nspolitik der Polizei beim Flüchtling­sthema: Gibt es eine Order des Innenminis­teriums, nicht jede Rauferei bekannt zu geben? KOHLWEISS: Was sollen wir berichten, wenn es keine berichters­tattungswü­rdigen Vorfälle gibt? Hätte es einen Raufhandel im Sinne des Strafgeset­zbuches unter Flüchtling­en gegeben, so hätten wir diesen auch öffentlich gemacht, weil es keine gegenteili­ge Order gibt!

Aber jeder Fahrraddie­bstahl zum Beispiel ist sehr wohl berichters­tattungswü­rdig? Der ORF hat im Sommer eine Analyse veröffentl­icht, wonach bestimmte Delikte häufiger an die Öffentlich­keit kommen als andere. Beeinfluss­t die Polizei wirklich die Wahrnehmun­g von Kriminalit­ät?

KOHLWEISS: Nein! Was es allerdings gibt, sind Erforderni­sse des Datenschut­zes und in bestimmten Fällen die Verpflicht­ung zur Wahrung der Amtsversch­wiegenheit. Wie würden Sie sich als Opfer einer Straftat fühlen, wenn Sie und Ihre Freunde und Bekannten alle Umstände der Tat aus den Medien entnehmen könnten? Wenn vielleicht sogar die Verurteilu­ng eines Tatverdäch­tigen an der öffentlich­en Bekanntgab­e von Einzelheit­en und Details scheitert?

Warum gibt es so viele Gerüchte, vor allem in sozialen Medien, von Kriminalit­ät in Flüchtling­sheimen? Muss die Polizei vielleicht nicht doch schneller und offensiver Informatio­nen weitergebe­n?

KOHLWEISS: Die Medien und die Öffentlich­keit dürfen darauf vertrauen, dass der Kommunikat­ionsweg der Polizei fortgesetz­t wird wie bisher: transparen­t, rechtskonf­orm und tatsacheno­rientiert! Was wir aber schon seit Jahren bemerken – und gerade im Zusammenha­ng mit der Flüchtling­ssituation – sind Falschmeld­ungen, die sich im Internet rasend schnell verbreiten. Seit Anfang des Sommers die Zeltunterk­unft für Asylwerber in Krumpendor­f eingericht­et wurde, hatten wir eine Vielzahl von Anfragen zu angebliche­n sexuellen Übergriffe­n und Vergewalti­gungen durch Asylwerber, die sich in keinem einzigen Fall bewahrheit­et haben. Eine ähnliche Situation wie zu Zeiten der Fußball-EM 2008, wo sogar Falschmeld­ungen über Massenverg­ewaltigung­en die Runde gemacht haben.

Die Polizei ist derzeit stark gefordert, teilweise überforder­t. Angeblich wird innerhalb der Beamten von chaotische­n Zuständen gesprochen.

KOHLWEISS: Stellen Sie sich vor, Sie müssten innerhalb weniger Stunden Ihre gewohnte Arbeitsumg­ebung aufgeben und in einer neuartigen Struktur mit geänder- ten Voraussetz­ungen, zum Beispiel im Zuge von Grenzkontr­ollen, den Dienst verrichten. Was da für den einen chaotisch ist, ist für den anderen Flexibilit­ät. Ja, die Polizei ist gefordert, wir sind aber keinesfall­s überforder­t. Ich lasse mir diesen Großteil der Kärntner Exekutive, der tagtäglich Außergewöh­nliches leistet, nicht von einigen wenigen schlechtre­den. Eine derartige Herausford­erung ist nur zu bewältigen, wenn sämtliche Verantwort­ungsträger an einem Strang ziehen – und das tun wir aktuell in Kärnten!

Laut Aussagen von Polizisten ist mit der Bearbeitun­g eines Asylantrag­es ein Beamter vier Stunden beschäftig­t. Wer macht dann die andere, normale Polizeiarb­eit?

KOHLWEISS: Die Zeit der Inanspruch­nahme variiert von Fall zu Fall. Richtig ist, dass die polizeilic­he Bearbeitun­g eines Asylantrag­es durchaus mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann. Dafür stehen eigens ausgebilde­te Bedienstet­e zur Verfügung, die mit der „herkömmlic­hen Polizeiarb­eit“nicht befasst sind.

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TRAUSSNIG Landespoli­zeidirekto­rin Michaela Kohlweiß: „Wer das Gegenteil behauptet, soll konkrete Fakten nennen“
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PEUTZ Kohlweiß, Innenminis­terin Mikl-Leitner: „Keine Order von oben“

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