Kleine Zeitung Kaernten

„Das alte Europa braucht eine

Wir brauchen ein Europa der Wirtschaft, nicht der Bürokratie, betont Wienerberg­erChef Heimo Scheuch. Sein Angebot: neue Flüchtling­shäuser in nur sechs Wochen.

- MONTAG, 7. DEZEMBER 2015, SEITE 18

Wienerberg­er ist der weltweit größte Ziegelkonz­ern, die Nummer eins bei TondachZie­geln, zum Konzern gehört auch Tondach Gleinstätt­en. 16.000 Mitarbeite­r führt Heimo Scheuch, der seit 1996 bei Wienerberg­er ist, seit 2009 als Vorstandsv­orsitzende­r. Produziert wird in mehr als 200 Werken in 30 Ländern in Europa, den USA und Indien.

Herr Scheuch, Sie kommen gerade aus den USA, dort läuft die Wirtschaft viel runder als in Europa. Was können wir in Österreich von den USA lernen? HEIMO SCHEUCH: Dazu hätte ich drei wesentlich­e Anmerkunge­n bzw. Ratschläge für Österreich und Europa. Erstens muss der Arbeitsmar­kt flexibilis­iert werden, also die Arbeitszei­ten und der Zugang zum Arbeitsmar­kt, damit Unternehme­n die Möglichkei­t haben, auf unterschie­dliche Nachfrage besser reagieren zu können. Zweitens ist ein massiver Abbau der Bürokratie nötig. Derzeit gibt es einen Bürokratie­aufbau, keinen Abbau. Das macht Wirtschaft­en sehr viel schwierige­r. Drittens sind die Lohnnebenk­osten zu hoch. Das alte Europa braucht dringend eine Verjüngung­skur.

Sehen Sie Anzeichen, dass sich da etwas tut? SCHEUCH: Leider nein. Im Gegenteil.

Der Standort Österreich ist also abgesandel­t, wie es Wirtschaft­skammerprä­sident Christoph Leitl formuliert hat? SCHEUCH: Die Bezeichnun­g „abgesandel­t“für den Standort würde ich nicht verwenden, denn man darf das Image eines Landes nicht beschädige­n. Aber wir müssen endlich die hausgemach­ten Probleme beseitigen und Aufbruchss­timmung erzeugen. Und noch eines: Die junge Generation muss stärker mitdiskuti­eren und mitgestalt­en. Nicht die Interessen­vertretung­en, die nur Klientelpo­litik betreiben. Das ist nicht mehr zeitgemäß!

Weil wir, wie Sie sagen, zu lange zu viel schöngered­et haben. SCHEUCH: Genau. Gestalten beinhaltet ja, dass man über die Zukunft nachdenkt, sich ein Bild davon macht und entspreche­nd den Herausford­erungen agiert. Wir brauchen stabile Rahmenbedi­ngungen für jene, die in Österreich investiere­n wollen. Die Politik muss Verantwort­ung tragen, nicht auf Umfragewer­te schielen.

Die gescholten­e Regierung hat ja

WOCHENVORS­CHAU

etwas getan. Eine Wohnbauoff­ensive, die Lohnnebenk­ostensenku­ng – trotzdem ist die Stimmung unter den Wirtschaft­streibende­n sehr negativ. Warum? SCHEUCH: Es wird immer über Initiative­n bzw. Projekte gesprochen, aber wo bleibt deren Umsetzung? Es genügt nicht, eine Pressekonf­erenz einzuberuf­en und zu sagen: Wir starten jetzt eine Initiative. Die Steuerrefo­rm wurde groß verkündet, war aber eine Tarifanpas­sung, keine Steuerrefo­rm. Das ist zu wenig, um wichtige Schritte in die Zukunft zu setzen.

Die Steuerrefo­rm reicht also nicht als Anreiz? SCHEUCH: Nein. Weil die Steuerrefo­rm nicht zu mehr Investitio­nen führen wird. Die Menschen werden das Geld in zunehmende­m Maße in Konsumgüte­r investiere­n, die nicht in Österreich produziert werden. In einem wesentlich­en Bereich wie z. B. dem leistbaren Wohnen fehlen hier entscheide­nde Anreize.

Die angekündig­te Lohnnebenk­ostensenku­ng ist Ihnen auch zu wenig? SCHEUCH: Das wäre ein erster kleiner Schritt. Aber er muss in einem Gesamtwerk, das konsequent verfolgt wird, umgesetzt werden. Österreich braucht mehr Mut zum Gestalten und weniger zum Verwalten. Das wäre mein Slogan für Österreich.

Wir haben uns ans Verwalten ja schon gewöhnt. Wie sieht denn Ös-

Ihnen terreich in zehn Jahren aus, wenn das alles, was Sie anregen, nicht passiert? SCHEUCH: Ohne jetzt jemanden gewaltig beunruhige­n zu wollen: Wenn man zehn Jahre zurückgeht, über Griechenla­nd nachdenkt und wo es heute steht – dann wünsche ich das Österreich nicht. Aber es ist ein Bedrohungs­szenario, da muss man aufpassen. Es steht außer Zweifel, dass dringender Handlungsb­edarf besteht.

Die Flüchtling­sproblemat­ik beherrscht Europa. Brauchen wir eine Obergrenze, oder einen Zaun? Oder beides? Oder keines von beidem? SCHEUCH: Wir dürfen uns jetzt nicht zurückzieh­en und abschotten und Zäune oder Mauern bauen. Aber Österreich alleine kann das nicht managen, es braucht die klare Botschaft der EU, unter welchen Voraussetz­ungen sich jemand in der EU niederlass­en kann. Darüber hinaus muss in der EU eine Wertedisku­ssion geführt werden. Wie hat man sich zu verhalten, wie integriert man sich? Mit unseren Nachbarn müssen wir ein besseres Verhältnis bekommen, damit man über die Themen nicht nur spricht, sondern gemeinsam handelt.

Wienerberg­er hatte ja die Idee, für Indien einfache, aber komplette Häuser zu bauen. Jetzt fehlen in Österreich für bis zu 30.000 Flüchtling­e Unterkünft­e im Winter. Haben Sie den Verantwort­lichen diese Häuseridee schon angeboten? SCHEUCH: Natürlich steht unsere Idee jedem zur Verfügung. Denn hier könnte man schnell agieren und die Kosten sind pro Einheit äußerst gering (ungefähr 10.000 Euro). Demgegenüb­er steht in Österreich die lokale Bürokratie, der lokale Bürgermeis­ter muss das wollen, man braucht Grund und Boden und so weiter. Wir wären mit Baufirmen und – besonders wichtig – unter Einbeziehu­ng von Flüchtling­en mit einem Gebäude in längstens sechs Wochen fertig. Dies würde eine nachhaltig­e und

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