Frankreichhat genug von den alten Herren
Ausgerechnet François Hollande und Nicolas Sarkozy, die das Vertrauen der Wähler verspielt haben und die das Volk loswerden möchte, streben ein weiteres Mandat als Präsident an.
Für die Franzosen kommt es wirklich knüppeldick. Der Terror ist über sie hereingebrochen. Die Arbeitslosigkeit hat ein neues Rekordhoch erreicht. Und nun greift auch noch der rechtspopulistische Front National nach der Macht, der doch am allerwenigsten berufen ist, die vielfältig zerklüftete, von Fliehkräften gezeichnete Nation zu einen, ihr in Zeiten der Globalisierung einen Erfolg versprechenden Weg in die Zukunft zu weisen. Als stärkste politische Kraft ist der FN aus der ersten Runde der Regionalwahlen hervorgegangen. In sechs der 13 Regionen liegt er vorne, in drei hat er beste Chancen, erstmals in der französischen Geschichte eine Regionalregierung zu stellen. Für die im Frühjahr 2017 stattfindenden Präsidentschaftswahlen lässt dies für Frankreich und auch für Europa Schlimmes befürchten.
Und was das Schmerzlichste ist: Schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Der Kampf gegen den Terror, der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, der Kampf gegen den Rechtsextremismus – sie alle verlangen einen langen Atem. Wenn es Marine Le Pens Front National in der ersten Runde der Regionalwahlen zur stärksten politischen Kraft gebracht hat, dann ja auch deshalb, weil er Illusionen von einer schnellen Besserung geweckt hat. Frankreich raus aus Europa, Grenzen dicht, die Muslime christliche Werte lehren und voilà, alles wird gut – das war, das ist die Botschaft der Rechtspopulisten.
Rückzug der Linken
Und niemand soll glauben, mit vereinten Kräften würden Sozialisten und Konservative sie dauerhaft ausbremsen können. Gewiss, dass die Sozialisten in zwei FN-Hochburgen auf eine Teilnahme an der zweiten Regionalwahlrunde verzichten, mag den Konservativen dort Stimmen sozialistisch gesinnter Wähler eintragen. Der Rückzug der Linken ist für Marine Le Pen zugleich aber auch beste Wahlkampfmunition. Wenn es drauf ankomme, wenn es also um den Erhalt der Macht gehe, arbeiteten die verkommenen Eliten links und rechts der politischen Mitte zusammen, pflegt die selbst ernannte Anwältin des kleinen Mannes zu versichern. Der Aufruf der Sozialisten, mit den Konservativen gemeinsame Sache zu machen, scheint dies aufs Vortrefflichste zu illustrieren.
Was nicht heißt, dass FN-Wähler all dies glauben, der Rechtspopulistin blind vertrauen würden. So mancher sieht in der Stärkung des FN ein Experiment, das durchaus schiefgehen kann. Wenn er sich darauf einlässt, dann deshalb, weil in seinen Augen alles andere bereits schiefgegangen ist. Weder der rechtsbürgerliche Nicolas Sarkozy noch sein sozialistischer Nachfolger François Hollande haben im Élysée-Palast eingelöst, was sie versprochen hatten. Sarkozy wollte verkrustete Strukturen aufbrechen, Aufbruchsstimmung entfachen. Hollande wollte Europa auf sozialistischen Kurs bringen, das Land ohne schmerzliche Reformen, ohne einschneidende Sparmaßnahmen international wettbewerbsfähig machen. Nichts davon ist Wirklichkeit geworden.
Was das Frustrierende ist: Die beiden Politiker, die das Vertrauen des Wählers verspielt haben, die das Volk laut Umfragen mehrheitlich in die Wüste schicken will, streben entschlossen ein zweites Mandat an. Anderthalb Jahre vor der Präsidentschaftswahl will Hollande im Élysée-Palast bleiben, Sarkozy dorthin zurückkehren. Beide taktieren, keiner wartet mit einer schlüssigen Strategie auf, wie sie Frankreich aus der Krise führen wollen.
Keine Alternative
Was Wunder, dass bei den zu nationalen Schicksalswahlen hochstilisierten Regionalabstimmungen 50 Prozent der Stimmberechtigten zu Hause geblieben sind. Wer den Glauben an Hollande und Sarkozy verloren hat, aber auch den Schalmeienklängen Marine Le Pens nicht erlegen ist, hat allen drei den Rücken gekehrt. Anders gesagt: 20 Millionen Franzosen haben keine Politikerin, keinen Politiker, keine Partei gefunden, für die es sich lohnte, ins Wahllokal zu gehen.
So deprimierend dies klingt, es