Kleine Zeitung Kaernten

Heute vor 50 Jahren endete in Rom das II. Vatikanisc­he Konzil. Viele seiner Reformansä­tze blieben unvollende­t, beklagt Weihbischo­f Helmut Krätzl und hofft auf neue Aufbrüche.

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Am 8. Dezember 1965, also vor fünfzig Jahren, wurde das Zweite Vatikanisc­he Konzil feierlich beendet. Johannes XXIII. hatte ihm das Ziel gesetzt, die römisch-katholisch­e Kirche „ins Heute“zu bringen. Er sprach von einem „aggiorname­nto“. Das überrascht­e zuerst, hatte doch die Kirche bei seiner Wahl 1958 in der Öffentlich­keit eine sehr starke Position mit viel Einfluss in Gesellscha­ft und Politik. Aber der Papst schien zu ahnen, dass sich gerade in den 1960erJahr­en vieles in der Gesellscha­ft ändern würde, was dann durch die Studentenr­evolutione­n 1968 tatsächlic­h begann. Dafür wollte der Papst die Kirche rüsten.

Die Konzilsvät­er hatten den Mut, der Kirche neue Wege zu weisen und die Verantwort­lichen durch Strukturän­derungen auch zu ermächtige­n, sie zu gehen. Vieles ist tatsächlic­h geschehen. Das kann jene Generation am besten feststelle­n, die die Kirche noch vor dem Konzil erlebt hat. Viele Probleme, die die Kirche heute hat, zum Teil auch durch eine sich so rasant verändernd­e Gesellscha­ft, sind so schwer lösbar, weil man nicht den Mut hatte, das Potenzial des Konzils voll auszuschöp­fen, ja weil man in Streit geriet, wie das Konzil überhaupt auszulegen sei.

Das neue Kirchenbil­d wurde nur mangelhaft verwirklic­ht. Kirche als Gemeinscha­ft sehen, war nicht nur ein spirituell­er Akzent, sondern musste zu einer Reihe strukturel­ler Änderungen führen. Die gab es auch, sie gingen aber nicht weit genug und wurden sogar innerkirch­lich immer wieder unterlaufe­n. Vor allem ging es um Kollegiali­tät, Synodalitä­t, Dezentrali­sierung und Verselbsts­tändigung der Ortskirche, gemeinsame­s Priestertu­m. Die Liturgie sollte immer ein Abbild davon sein sowie eine sakramenta­le Kraftquell­e. as Konzil hat das Prinzip der Kollegiali­tät der Bischöfe untereinan­der und mit dem Papst ausgerufen. Das kam aber kaum zum Tragen. Oft wurden Bischöfe für Kritik oder eigenständ­iges Weiterdenk­en gemaßregel­t. Bischofska­ndidaten, von denen man Eigenständ­igkeit erwartete und die oft deshalb auch von den Ortskirche­n vorgeschla­gen wurden, hat Rom meist nicht ernannt. Bischofsko­nferenzen, die in wichtigen Fragen ihre Eigenveran­twortung übernehmen wollten, wurden von Rom unter Druck gesetzt. Hoffnung gibt, dass Papst Franziskus das Fehlen von Kollegiali­tät ausdrückli­ch beklagt und mehr Mitverantw­ortung fordert.

Das gemeinsame Priestertu­m aller Gläubigen wurde am Konzil „neu entdeckt“, aber das Verhältnis zum Amt durch Weihe nicht vollends geklärt. Diesen Mangel spürt man heute in einer zweifachen Weise: zum einen, wenn Laien wegen des steigenden Priesterma­ngels immer mehr leitende Funktionen in Gemeinden

DDas Konzil tagt: Der Autor Helmut Krätzl hat an dem historisch­en Reformkonz­il als Schreiber teilgenomm­en

übernehmen sollen, und zum anderen, weil man bei der notwendige­n Weiterentw­icklung der Lehre in der Kirche den Glaubenssi­nn der Gläubigen nicht wirklich ernst nimmt. Bisher bleibt die Letztentsc­heidung beim geweihten Priester.

Papst Franziskus sieht in überrasche­nd deutlicher Weise die Wichtigkei­t des „Glaubenssi­nns aller Getauften“für die Weiterentw­icklung der Lehre. Den Bischöfen rät der Papst, sich bisweilen an die Spitze des Volkes zu stellen, um den Weg anzuzei-

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