Kleine Zeitung Kaernten

Hat sich Maria Lassnig ungebührli­ch als NS-Opfer und „entartete Künstlerin“inszeniert, wie dies der im Vorjahr verstorben­en Malerin nun vorgeworfe­n wird? Eine Ehrenrettu­ng.

- ERWIN HIRTENFELD­ER Verena Pawlowsky: „Die Akademie der bildenden Künste Wien im Nationalso­zialismus“, Böhlau-Verlag, 123 Seiten, 20 Euro.

Nach dem „Anschluss“an Hitler-Deutschlan­d blieb in Österreich kein Stein auf dem anderen. Auch nicht an der Akademie der Bildenden Künste, wo 1938 jeder fünfte Mitarbeite­r seinen Dienst quittieren musste. Auch rund sieben Prozent der Studierend­en waren aus „rassischen“oder sonstigen Gründen vom Machtwechs­el betroffen, wie die Historiker­in Verena Pawlowsky in einer jüngst veröffentl­ichten Studie über die Wiener Kunstakade­mie zur Zeit des Nationalso­zialismus ausführt. Die Studentin Maria Lassnig gehörte laut dieser Studie nicht dazu. So ist es einer Fußnote zu entnehmen, die bereits großen Widerhall in den heimischen Medien fand. Pawlowsky im O-Ton: „Die vor allem in den Nachrufen des Jahres 2014 erfolgte Darstellun­g, Lassnigs Bilder seien als ,entartete Kunst‘ bezeichnet worden und sie selbst habe die Akademie 1943 verlassen müssen, kann durch die vorliegend­en Quellen nicht belegt werden. Die zuerkannte­n Stipendien zeigen im Gegenteil, dass die Künstlerin sogar gefördert wurde.“

Gau-Stipendium

Tatsächlic­h hatte die Junglehrer­in aus dem Metnitztal, die 1941 in die Meisterkla­sse von Wilhelm Dachauer aufgenomme­n wurde, nicht nur mehrfach das Kärntner Gau-Stipendium erhalten, sondern im Feber 1945 – also kurz nach Erlangung ihres Diploms – auch ein mit 500 Reichsmark dotiertes „Staatsstip­endium zur künstleris­chen Weiterbild­ung“. Doch rechtferti­gen diese Er- kenntnisse den neuerdings erhobenen Vorwurf, die Grande Dame der österreich­ischen Malerei hätte „der von Journalist­en und Kunsthisto­rikern verbreitet­en Mär der verfemten Künstlerin nicht entschloss­en widersproc­hen“(„Falter“) bzw. sei dieser Darstellun­g „in Interviews nicht entgegenge­treten“(APA)?

Dass dies sehr wohl der Fall war, belegt ein Interview, das die Künstlerin 2006 der Kleinen Zeitung (Ausgabe vom 18. 1.) gab. Darin erinnert sich die damals 86Jährige an die schwierige­n Kriegsjahr­e im Haus am Schillerpl­atz: „Ich habe in der Akademie angefangen, mit wirklichen Farben zu malen. Da hat der Professor Dachauer zu mir gesagt: ,Sie, Lassnig, das geht bei mir nicht, Sie verderben mir meine Schüler. Ich möchte Sie nicht mehr in der Klasse haben.’ Ferdinand Andri hat mich dann sofort genommen. Ich bin keine Verfolgte, wirklich nicht. Da hat es weit Schlimmere­s gegeben. Ich hatte aber Probleme, weil ich in Klagenfurt mit einem französisc­hen Fremdarbei­ter befreundet war. Ich hätte ihn sogar heiraten sollen. Ist aber nichts daraus geworden, weil ich nicht französisc­h kochen konnte. Es war ein unschuldig­es Verhältnis, aber nicht ungefährli­ch.“

Maria Lassnig hat also nie behauptet, die Akademie vorzeitig verlassen zu haben, noch hat sie sich als Opfer des NS-Regimes empfunden. Vielmehr erging es ihr wie zahlreiche­n ihrer Kollegen, die im Umfeld diffuser nationalso­zialistisc­her Kunstvorst­ellungen ums Überleben kämpften. So konnten ihre Kärntner Landsleute Anton Kolig und Werner Berg mit einigen ihrer Werke als „entartet“gelten und gleichzeit­ig von NS-Größen wie Friedrich Rainer gesammelt werden.

Vom genannten Gauleiter hatte Lassnig auch ihre Gau-Stipendien erhalten. Dies hinderte sie aber nicht daran, mit einem französisc­hen Fremdarbei­ter oder mit dem widerständ­igen Schriftste­ller Michael Guttenbrun­ner befreundet zu sein, der wegen seiner Weigerung, das HorstWesse­l-Lied zu singen, von der Schule geflogen war und später wegen „illegaler Betätigung für die verbotenen Sozialdemo­kraten“verhaftet wurde.

Eine NS-Widerstand­skämpferin war Maria Lassnig freilich nicht. Aber auch keine Opportunis­tin, die „der von Journalist­en und Kunsthisto­rikern verbreitet­en Mär der verfemten Künstlerin“nicht zumindest einmal öffentlich widersproc­hen hätte.

Buch-Tipp:

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria