Ein Lebenszeichen der Zivilgesellschaft
Irmgard Griss’ Kandidatur belebt die Politik.
Noch hat der Wahlkampf gar nicht angefangen. Nur eine Kandidatin steht einsam auf dem Feld. Sie schart Leute um sich und sucht Geld, um ihre Kampagne zu finanzieren. Sie will, dass sich etwas ändert im Land.
Allein das ist schon schön zu sehen. Irmgard Griss könnte Rosen pflegen oder was auch sonst ihre Hobbys sein mögen. Stattdessen setzt sie sich den Rempeleien aus, die der bevorstehende Wahlkampf unweigerlich mit sich bringen wird.
Sprache sei ihr wichtig und eine klare Ausdrucksweise, sagte die Dame zu Beginn ihrer Kampagne. Wie das klingt, hat sie schon gezeigt. Ihr Bericht über das Hypo-Desaster, der im Frühjahr veröffentlicht wurde, hat auch Branchenfremden in einfachen Worten verdeutlicht, was die Juristin mit „Systemversagen“meint. Der Text hat niemanden geschont, und genau das hatte niemand erwartet. War nicht das Finanzministerium der Auftraggeber? Wie sollte es da schlecht wegkommen?
Das war die Erwartungshaltung, mit der die Republik das Ergebnis der Hypo-Studie von Frau Griss erwartet hatte. Dass es nicht so kam, löste ungläubiges Kopfschütteln aus. Diese Art von Berechenbarkeit, von falschem Entgegenkommen und Freundschaftsdiensten stört Irmgard Griss und nicht nur sie. Tut jeder nur das Erwartbare, bleibt alles beim Alten. Dass Irmgard Griss dagegen antritt, ist ihr hoch anzurechnen. Dass sie sich aus der Deckung wagt, darf schon als Beitrag zur Klimaverbesserung gelten.
Die Ergebnisse unabhängiger Kandidaten sind nicht ermutigend. Gertraud Knoll, damals evangelische Superintendentin im Burgenland, kam 1998 auf etwas mehr als 13 Prozent. Mehr hat vorher und nachher niemand erreichen können.
Die Ausgangslage dieser Wahl ist allerdings anders. War der Unmut über das politische System je größer? War es je leichter, mit wenig Geld Menschen zu erreichen? Die sozialen Medien ermöglichen auch Kandidaten mit geringen finanziellen Mitteln, an ihre potenziellen Wähler heranzukommen, vorausgesetzt, das Interesse an der Person ist groß genug. rau Griss hat bisher nichts falsch gemacht. Kritik stellt sie sich in ungewohnter Offenheit und ohne Wehleidigkeit. Sie antwortet auf Fragen, was nicht als selbstverständlich gelten darf, und sie leistet sich Nuancierungen. Das missfiel etwa der FPÖ, die Griss nach dem Hearing in ihrer Parteizeitung als „,Ja, aber‘-Politikerin“bezeichnete. Ja, aber wie denn sonst soll eine Politikerin die vertrackten Irrungen und Wirrungen der Wirklichkeit beschreiben?
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