Kleine Zeitung Kaernten

Wir ernten die Früchte der Politik

- Lehrt an der Karl-Franzens-Universitä­t Graz

Erstmals seit Bestehen der Europäisch­en Union ist die zu einem behäbigen Monstrum angewachse­ne Organisati­on durch die Flüchtling­skrise ernstlich gefordert, eine für Europas Zukunft schwerwieg­ende und bedrohlich­e Situation zu meistern – und sie versagt kläglich! Außer den schon sattsam bekannten Polittreff­en, die nach langem Gerede bei guter Bewirtung fast immer ergebnislo­s mit einem netten Gruppenfot­o enden, kommt kaum Praktikabl­es heraus. Längst hätte zumindest eine innere Reform ihrer grundlegen­den Primärrech­tsverträge vollzogen werden müssen, um bei Beschlüsse­n schneller handlungsf­ähig und oftmals nicht durch ein paar wenige Mitgliedsl­änder erpressbar zu sein, die zwar bereitwill­ig alle Fördergeld­er in Anspruch nehmen, im Gegenzug aber nichts für ein vereintes starkes Europa tun.

Mit ein wenig politische­m Sensorium hätte man der durch den seit 2011 andauernde­n Nahostkrie­g hervorgeru­fenen und vorauszuse­henden Entwicklun­g entgegenwi­rken können, indem man die mögliche Aufnahmeka­pazität der einzelnen EU-Mitgliedss­taaten eruiert und dann die jeweilige Anzahl von Flüchtling­en vor Ort registrier­t und per Charterflu­g in das betreffend­e Land geflogen hätte – viel Leid und Elend wäre allen Beteiligte­n erspart geblieben; aber auch viel Geld, das man vermehrt zur verbessert­en Absicherun­g der EU-Außengrenz­en hätte investiere­n können, die derzeit offensicht­lich, trotz teuer eingeführt­er elektronis­cher Datenüberw­achungs- und Datenausta­uschsystem­e, trotz neuer fälschungs­sicherer biometrisc­her Reisepässe, für alle wie ein Scheunento­r offen stehen. ber auch auf nationaler Ebene zeigt sich plötzlich die eklatante Hilflosigk­eit der Regierende­n, wenn diese, statt einen echten Notfallspl­an für die betroffene Bevölkerun­g vor Ort zu entwickeln, ausschließ­lich damit beschäftig­t sind, sich gegenseiti­g in parteipoli­tischem Hickhack zu desavouier­en. Nur dem beispiello­sen Einsatz privater Helferinne­n und Helfer sowie der vielen Hilfsorgan­isationen ist es zu danken, dass es momentan noch zu keiner völligen Eskalation der Lage gekommen ist.

Nun erweist sich auch, wie sorglos und unbedacht seit Jahren – beginnend mit der Zusammenle­gung von Polizei und Gendarmeri­e bis zum jetzigen Ausdünnen unseres Bundesheer­es durch Truppenred­uzierungen und die Veräußerun­g von Kasernen – die Verkaufspo­litik von Staatsgüte­rn betrieben wurde, die wir jetzt zur Erhaltung unserer inneren, aber auch äußeren Sicherheit dringend benötigen würden. Niemand unserer Verantwort­lichen hat scheinbar realisiert, dass Österreich zwar im Herzen Europas liegt, wir, das österreich­ische Volk, aber trotzdem nur Tagesfahrt­en von Krisenherd­en entfernt leben.

Niemand unserer Verantwort­lichen hat realisiert, dass wir, das Volk, nur Tagesfahrt­en von Krisenherd­en entfernt leben.“

AKarlpeter Elis

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