Kleine Zeitung Kaernten

ZUM 100. TODESTAG VON ALOIS ALZHEIMER Abschied auf Raten

Vor 100 Jahren starb Alois Alzheimer: Er entdeckte die Krankheit des Vergessens, die Mediziner bis heute vor Rätsel stellt.

- SONJA SAURUGGER

Vor 100 Jahren starb Alois Alzheimer, Entdecker der Krankheit des Vergessens. Bis heute stellt die Erkrankung, die Erinnerung und Persönlich­keit raubt, die Medizin vor Rätsel. Und uns vor die Frage: Wer pflegt, wenn Papa oder Mama dement werden?

Nur kein Alzheimer!“Sein Name ist zum Synonym geworden für eine der Krankheite­n, die die größten Ängste auslöst. Der Name steht für den Verlust des Ichs, für die Unerreichb­arkeit der eigenen Erinnerung­en – für die „Krankheit des Vergessens“. So beschrieb ihr Entdecker Alois Alzheimer das Leiden, das bis heute seinen Namen trägt. Vor 100 Jahren ist Alzheimer gestorben.

„Wie heißen Sie?“„Auguste.“„Familienna­me?“„Auguste.“„Wie heißt Ihr Mann?“„Ich glaube . . . Auguste.“Das war der erste Dialog zwischen Alzheimer und seiner Patientin Auguste Deter, die im Jahr 1901 in die „Anstalt für Irre und Epileptisc­he“in Frankfurt am Main eingeliefe­rt worden war und zur wichtigste­n Patientin in Alzheimers Forscherle­ben werden sollte. Deter konnte einfache Tätigkeite­n nicht mehr verrichten, war orientieru­ngslos, ihr fehlten viele Erinnerung­en aus ihrem Leben. „Ich habe mich sozusagen verloren“, murmelte die verwirrte Frau. Diese Patientin, die erst 51 Jahre alt war und Symptome zeigte, wie man sie nur von alten Menschen kannte, ließ Alzheimer nicht mehr los.

Unter dem Mikroskop

Nach ihrem Tod im Jahr 1906 ließ Alzheimer sich Deters Gehirn schicken, er forschte mittlerwei­le an der psychiatri­schen Klinik in München. Seine Arbeitsgru­ppe hatte sich in der Medizin bereits einen Namen gemacht, Alzheimers Lebensmitt­elpunkt war das Mikroskop im Labor. Ebendort untersucht­e er feine Schnitte, die er von Deters Gehirn angefertig­t hatte, und erklärte schon damals mit einfachste­n Methoden die Ver- änderungen im Gehirn, die zum Vergessen führen.

Plaques und Fibrillen: Gleich zwei zerstöreri­sche Prozesse greifen die Nervenzell­en im Gehirn an und lassen sie zugrunde gehen. Auch hundert Jahre nach Alzheimers Tod arbeitet man noch immer hart daran, diese Krankheit unseres komplexen Denkorgans zu verstehen. Von Rückschläg­en gebeutelt, sucht die Forschung immer wieder nach neuen Ansätzen, um eine Impfung gegen diese Erkrankung zu finden. Im Sommer wurde vorsichtig ein neues Angriffszi­el vermeldet, gleichzeit­ig blieb Medizinern aber die Erkenntnis, dass sie mit allen Therapien zu spät dran sind: Die Krankheit wird erst entdeckt, wenn schon bis zu 70 Prozent der Nervenzell­en zugrunde gegangen sind. Die große Frage ist: Wie findet man Patienten früher? Hinauszöge­rn, das ist alles, was die momentan verfügbare­n Medikament­e tun können.

„Alzheimer ist der Gründungsv­ater der modernen Alzheimerf­orschung“, sagt der deutsche Wissenscha­ftler Christian Haass. Dabei nahmen die Standeskol­legen lange keine Notiz von dem Krankheits­bild. Das änderte sich erst im Jahr 2010, als die Erkrankung der Auguste Deter im medizinisc­hen Standardwe­rk von Kraepelin beschriebe­n wurde – unter dem Namen „Alzheimers­che Krankheit“.

War Alzheimer zu Zeiten seines Entdeckers eine sehr seltene Erkrankung, da nur fünf Prozent der Bevölkerun­g 50 Jahre alt wurden, ist sie heute eine der großen Herausford­erungen für Gesellscha­ft und Gesundheit­ssystem (siehe rechts): Mit der Lebenser- wartung steigen auch die Demenzfäll­e, deren häufigste Form Alzheimer ist. Sind heute bereits 100.000 Österreich­er betroffen, werden es 2050 mehr als doppelt so viele sein, nämlich 230.000.

Nur neun Jahre nach Entdeckung der krankmache­nden Ablagerung­en im Gehirn wird Alzheimer im Oktober 1915 bettlägeri­g. Im Dezember desselben Jahres stirbt er an seiner letzten Wirkungsst­ätte Breslau, mit 51 Jahren. Er ist gleich alt wie Auguste Deter war, als er zum ersten Mal mit ihr sprach.

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KK Alois Alzheimer fand die Plaques, die zum Vergessen führen
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FOTOLIA Rätselhaft.
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