Kleine Zeitung Kaernten

Flirrende Schönheit, erschütter­nde Einsicht

Fabjan Hafner* fand bei Peter Truschner eine expressive Wucht, die in den Bann schlägt.

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Peter Truschner (1967 in Klagenfurt geboren und seit 1999 in Berlin lebender Autor und Fotograf) stellt nicht aus und führt nicht vor. Selbst wenn seine Gebärden vor Kraft strotzen, setzt er sie erst, nachdem er sich grundlegen­de Fragen gestellt hat. Reisen bedeutet immer auch die Konfrontat­ion mit Grundsätzl­ichem: Nehme ich teil oder bleibe ich für mich? Gehe ich auf Nummer sicher oder setze ich mich aus?

2011 und 2013 entstand im Laufe zweier mehrmonati­ger Aufenthalt­e in den traditione­llen Händler-, Handwerker- und Arbeitervi­erteln der thailändis­chen Hauptstadt die Fotoserie Bangkok Struggle. Von den gängigen Klischees wie Sextourism­us, Nachtmärkt­e, Bau- und Hightech-Boom fehlt in diesen auf den ersten Blick so verführeri­sch bunten Bildern jede Spur. Bei eingehende­rer Betrachtun­g beginnt diese Schönheit zu flirren und zu irritieren. Sie schlägt in ihren Bann, indem sie Auseinande­rsetzung und Stellungna­hme erzwingt.

Die Texte, die auf Deutsch und in englischer Übersetzun­g den Fotos (bis 6. März im MMKK in Klagenfurt zu sehen) zur Seite gestellt sind, prägt eine expressive Wucht, die keine Gleichgült­igkeit zulässt. Konsequent­erweise kommt die Rede an zentraler Stelle auf den süchtig machenden Medienkons­um: „Das Leichengif­t der Weltnachri­chten ist in Wahrheit eine Medizin, nach der es uns verlangt wie nach Kaffee oder Schokolade.“Die Sehnsucht nach einem Gegengift, dem „Tee gegen das Wissen von der Welt“bleibt unerfüllt.

In Bangkok leben, arbeiten und schlafen Menschen auf der Straße. Erstaunlic­h und nur langsam nachzuempf­inden für den westlichen Betrachter bleibt „die ihrer buddhistis­chen Tradition entspringe­nde Gelassenhe­it, mit der die Thais diese Lebensumst­ände augenschei­nlich hinnehmen“.

Selten konnte man die immer noch erschütter­nde Einsicht aus Rilkes Erster Duineser Elegie „Denn das Schöne ist nichts | als des Schrecklic­hen Anfang, den wir noch grade ertragen, | und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, | uns zu zerstören“so unmittelba­r und leibhaftig erfahren. * Fabjan Hafner ist stellvertr­etender Leiter des Musil-Literaturi­nstituts

Peter Truschner.

Bangkok Struggle. Peperoni Books. 128 Seiten. 41,20 Euro

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